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Der RWE-Chef und die Energiewende

Manuela Kasper-Claridge (Davos)23. Januar 2015

Die Energiewende in Deutschland ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Besonders betroffen: Die Energiekonzerne. Manuela Kasper-Claridge im Gespräch mit RWE-Chef Peter Terium.

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Schweiz Weltwirtschaftsforum in Davos 2015 Peter Terium
Bild: WEF/R. Steinegger

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen radikalen Schritt in der Energieerzeugung in Deutschland an: die Energiewende. Das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung ist, dass bis 2050 mindestens 80 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen soll. Gleichzeitig soll der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 deutlich reduziert werden. Zudem sollen bis 2022 alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Dieser Plan ist eine ebenso umfassende wie kostspielige Herausforderung für die Energiebranche.

Darüber hat sich Manuela Kasper-Claridge am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos mit Peter Terium, dem Vorstandsvorsitzenden des zweitgrößten deutschen Energieversorgers RWE, unterhalten.

Deutsche Welle: Deutschland steht mit seiner Politik zu Gunsten der grünen Energie ziemlich allein da, in Europa und weltweit. Denken Sie, dass dies der richtige Weg in die Zukunft ist?

Peter Terium: Nein, das ist sehr sonderbar. Deutschland ist keine Insel, und gerade für die Energiepolitik gilt: Wir haben einen gemeinsamen europäischen Markt, wir haben europäische Regelungen. Schon jetzt können wir sehen, dass ein deutscher Alleingang im europäischen Umfeld nicht funktionieren wird.

Was sollte aus Ihrer Sicht geschehen?

Wir sollten nach einer europäischen Lösung streben. Zum Beispiel wird die CO2-Reduktion durch das europäische Emissionshandelssystem geregelt, aber nicht durch einen deutschen Alleingang. Wenn wir den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen nur in Deutschland reduzieren, bringt das für die europäische CO2-Bilanz überhaupt nichts - denn es würde mehr CO2 in anderen europäischen Ländern emittiert.

Es geht aber nicht nur um eine europäische Lösung bei der CO2-Reduktion. Auch bei der Versorgungssicherheit müssen wir europäisch denken. Bis zum Ende des Jahrzehnts werden wir eine deutliche Unterversorgung in Europa haben. Länder wie das Vereinigte Königreich und Frankreich haben hier bereits vorgesorgt und den sogenannten Kapazitätsmarkt eingeführt. Nach diesem Marktmodell erhalten Kraftwerksbetreiber über die bekannten Marktmechanismen wie heute auch einen Marktpreis.

Darüber hinaus wird jedoch auch die Bereitstellung von Kraftwerksleistung honoriert - und das ist notwendig, denn der Marktpreis ist heute in Europa viel zu niedrig, um Kraftwerke rentabel zu betreiben - geschweige denn, neue zu bauen. Wir brauchen diese Kraftwerke aber auch in Zukunft für den Fall, dass die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Deutschland hinkt bei dieser Diskussion hinterher, ist viel zu zögerlich. Ich denke aber, dass ein Kapazitätsmarkt notwendig ist, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Und dafür brauchen wir einen europäischen Rahmen.

Peter Terium und Sigmar Gabriel
Peter Terium und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)Bild: picture-alliance/dpa

Was erwarten Sie jetzt von der Bundesregierung?

Das Grünbuch der Bundesregierung liegt vor. Dort sind alle möglichen Optionen zur Reform des Energiemarktsystems sauber aufgearbeitet worden. Auch das Thema Kapazitätsmarkt ist dort adressiert worden - übrigens: Der Vorschlag der Energiebranche für einen Kapazitätsmarkt schneidet dabei sehr gut ab. Ich gehe davon aus, dass Bundeswirtschaftsminister Gabriel ein Interesse an einem ergebnisoffenen Diskussionsprozess hat.

Denken Sie, dass Deutschland bei der Entwicklung nachhaltig gewonnener Energie eine Führungsrolle spielen kann?

Ja, und das tun wir auch schon. Wir haben in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen den größten Anteil an erneuerbaren Energien. Das können wir ausbauen. Deutschland hat die "grünen Energien" auf eine wettbewerbsfähige Grundlage gestellt und andere Länder können davon profitieren.

Der Klimawandel ist ein großes Thema hier in Davos. Im Laufe des Jahres gibt es noch eine große Klima-Konferenz in Paris. Was erwarten Sie davon?

Im Hinblick auf die Pariser Konferenz sollte Europa vorangehen. Die Staats- und Regierungschefs haben sich auf dem EU-Gipfel im Oktober 2014 auf eine CO2-Reduktion von 40 Prozent bis 2030 geeinigt - das muss jetzt in Gesetzesform gegossen werden, und zwar schnell. Außerdem muss noch ein Markt-Stabilisierungsmechanismus eingeführt werden, das sollte nach den Vorschlägen der Kommission 2021 geschehen. Ich denke, das ist zu spät. Das muss früher kommen, so schnell wie möglich. Der Emissionshandel steckt momentan in einer Vertrauenskrise, und nur durch entschlossene Reformen wird man den Skeptikern den Wind aus den Segeln nehmen können.

Wann sollte die Marktstabilitätsreserve starten?

2017.

Das ist aber schon bald.

Ja.

Erwarten Sie von der Klimakonferenz in Paris einen Durchbruch?

Ich bin da nur vorsichtig optimistisch. Die Klimakonferenz in Lima hat ja gezeigt, dass die Gräben zwischen Industrie- und Schwellenländern weiterhin bestehen. Man muss mit Blick auf Paris wohl realistisch sein und sich von der Erwartung eines Weltklimavertrags mit verbindlichen Minderungszielen trennen. Vielleicht ist es Zeit, den Weg für eine neue Klimaschutzarchitektur zu ebnen, die mehr auf Freiwilligkeit und multilateralen Verträgen beruht. Wenn man das erreicht, dann könnte Paris auch ohne verbindlichen Klimaschutzfahrplan zu einem Meilenstein der internationalen Klimapolitik werden.