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Terror in Nigeria gefährdet Hilfsprojekte

Marcus Lütticke9. Juni 2014

Die Terrorgruppe Boko Haram verübt im Nordosten Nigerias immer wieder blutige Massaker. Viele Menschen sind auf der Flucht. Für Hilfsorganisationen wird die Arbeit in der Region immer gefährlicher.

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Menschen nach Bombenanschlag in Nigeria ( Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Sie möchten helfen und geraten selbst immer wieder in den Fokus der Terroristen: Mitglieder von Entwicklungsorganisationen im Nordosten Nigerias werden durch den Terror von Boko Haram zunehmend bei ihrer wichtigen Aufbauarbeit bedroht. Menschenrechtsorganisationen zufolge kamen in den vergangenen vier Jahren mehr als 3000 Menschen durch Anschläge von Boko Haram ums Leben. Etwa 250.000 Nigerianer sind aufgrund des Terrors in der Region um die Stadt Maiduguri auf der Flucht. In ganz Nigeria sind es aufgrund verschiedener regionaler Konflikte mehrere Millionen.

Eine der in Nigeria tätigen Entwicklungsorganisationen ist Misereor. Das katholische Hilfswerk setzt bei der Arbeit vor Ort jedoch keine eigenen Mitarbeiter ein, sondern unterstützt Projekte von lokalen Partnern. Mathias Kamp leitet die Verbindungsstelle von Misereor in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. "Die Arbeit wie sie in der Vergangenheit stattfand ist stark eingeschränkt", berichtet Kamp im DW-Gespräch. "In einige Dörfer kann man gar nicht mehr hinein ohne sich selbst zu gefährden."

Vielfältige Probleme

Neben der unmittelbaren Gefahr von Terroranschlägen oder Überfällen bewaffneter Kämpfer sei auch die Logistik in der Region ein Problem: "Teilweise fehlt es an Transportmitteln. Vieles wurde früher mit Motorrädern erledigt. Die waren dann zwischendurch aber verboten, weil Boko Haram oft auf Motorrädern in die Dörfer fuhr."

Mathias Kamp von Misereor (Foto: Misereor)
Politikwissenschaftler Mathias Kamp leitet die Verbindungsstelle von Misereor in NigeriaBild: Misereor

Misereor habe aber gegenüber anderen Hilfsorganisationen den Vorteil, dass die Mitarbeiter fest in den lokalen Strukturen verankert seien. "In den Kirchen hat man ein Netzwerk, das bis hin in die Gemeinden reicht und wo man mit Mitarbeiten arbeitet, die die Gegebenheiten und die Menschen vor Ort sehr gut kennen." Andere Helfer hätten es da weitaus schwerer. "Hilfsorganisationen, die mit externem beziehungsweise ausländischem Personal arbeiten, ist es momentan fast unmöglich, in weiten Teilen dieses Gebiets überhaupt etwas zu machen."

Gefahr für die Mitarbeiter

Andererseits besteht für kirchliche Träger in besonderem Maße die Gefahr, zur Zielscheibe der Terrorgruppe zu werden. Zumindest in der Vergangenheit war das so. "Unsere Partner berichten von zerstörten Kirchen, von zerstörten Schulen in kirchlicher Trägerschaft und so weiter", erzählt Kamp. In jüngster Zeit habe sich der Fokus von Boko Haram aber verändert. "Es geht kaum noch darum, gezielt religiöse oder staatliche Einrichtungen zu treffen, sondern - das haben die letzten Angriffe auf Dörfer und Bombenanschläge gezeigt - es geht darum möglichst viele Menschen zu töten."

Mitarbeiter der lokalen Hilfsorganisationen, mit denen Misereor zusammen arbeitet, sind laut Kamp bislang aber noch nicht direkt zu Schaden gekommen. Dennoch betrifft sie der Terror von Boko Haram unmittelbar. "Wir haben Mitarbeiter von Partnern, die Familienangehörige verloren haben, wir haben Überfälle auf Schulen, in denen Kinder von Mitarbeitern zur Schule gingen. Da ist zum Glück alles glimpflich ausgegangen, weil sich die Kinder im Wald verstecken konnten. Man merkt aber zunehmend, dass es auch an uns und unsere Partner näher rückt."

Eingang der Schule nach Boko-Haram-Angriff in Gamboru, Nigeria (Foto: AMINU ABUBAKAR/AFP/Getty Images)
Immer wieder geraten Schulen ins Fadenkreuz der Terroristen von Boko HaramBild: AMINU ABUBAKAR/AFP/Getty Images

Religiöse Spaltung verhindern

Viele Menschen fliehen aus den betroffenen Dörfern, um sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen. Auch hier versuchen die Hilfsorganisationen unterstützend tätig zu werden. Allerdings gibt es in der Region keine großen Flüchtlingscamps, sondern meist suchen die Betroffenen bei Verwandten oder Bekannten in einem anderen Dorf oder in einer nahegelegenen Stadt Zuflucht. "Da sind dann zum Teil dutzende Menschen, die sich bei einer Familie einquartieren und da fehlt es an Nahrungsmitteln, an Kleidung und an Trinkwasser. Unsere Partner und die kirchlichen Strukturen versuchen auch dort Hilfe zu leisten."

Für Kamp ist es wichtig zu betonen, dass Misereor als kirchliche Organisation versucht, die Spaltung, die Boko Haram zwischen Christen und Muslimen erreichen will, nicht weiter fortschreiten zu lassen. "Wir gucken ob es möglich ist, auch Christen in muslimischen Familien unterzubringen und umgekehrt." In der Wahrnehmung der Bevölkerung sei es jetzt verstärkt angekommen, dass Boko Haram Christen wie Muslime gleichermaßen angreift. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass hier Muslime gegen Christen kämpfen. "Das kann man natürlich auch im Umgang mit den Flüchtlingen versuchen zu vermeiden."