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Terror und Gesetzlosigkeit im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet

Peter Philipp (eb)18. März 2009

Die US-Regierung will den Kampf gegen Terroristen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ausweiten. Die Regierung in Islamabad sieht dies als klaren Angriff auf die Souveränität Pakistans.

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Sicherheitschecks an der pakistanisch-afghanischen Grenze (Foto: dpa)
Verstärkte Sicherheitschecks an der pakistanisch-afghanischen GrenzeBild: picture-alliance / dpa

Im Sommer 2008 gab der damalige US-Präsident George W. Bush Anweisung, beim Kampf gegen Taliban und Al Kaida keine Rücksicht mehr auf international anerkannte Staatsgrenzen zu nehmen und die militärischen Operationen über das Gebiet Afghanistans hinaus auszuweiten. Konkret ging es um die nordwestlichen Grenzgebiete Pakistans, in denen Terroristen Unterschlupf, Schutz und Unterstützung finden. Die Gegend wird von paschtunischen Stämmen beherrscht, die pakistanische Zentralregierung hat dort nur wenig zu sagen und staatliche Sicherheitskräfte werden nur selten eingesetzt. Das war auch unter dem damaligen Staatschef Musharraf nicht anders, obwohl er sich stets als treuer Alliierter der USA präsentierte.

Seltene Einigkeit zwischen Bush und Obama

US-Präsident Obama, abgebildet neben einem Extremisten (Fotos: AP)
Die Region hat für US-Präsident Obama oberste PrioritätBild: AP / DW-Fotomontage

Weil auch Washington den Bodeneinsatz von Truppen in dieser Gegend für zu riskant hielt, begann die US-Regierung mit Luftangriffen auf wirkliche und vermeintliche Terror-Ziele. Obwohl der Wahlkampf längst begonnen hatte, blieb dies ohne Kritik von Seiten der US-Opposition. Im Gegenteil: Barack Obama schien sich in diesem Punkt hinter Bush zu stellen. "Wenn wir solide Geheimdienst-Informationen über sehr wichtige Terrorismus-Ziele haben und wenn Präsident Musharraf nicht handelt, dann werden wir das tun", so Obama. Bei den Angriffen, die zum Teil mit unbemannten "Drohnen" durchgeführt wurden, ereignete sich, was in Afghanistan schon zu oft geschehen war: Es wurden Unschuldige getroffen. Und die Ablehnung der USA und die Solidarität mit Taliban und Al Kaida wurden dadurch im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet nur weiter verstärkt.

Monate später war Musharraf zum Rücktritt gezwungen und Obama zum neuen US-Präsidenten gewählt. Er stand im Wort, Truppen aus dem Irak abzuziehen und teilweise nach Afghanistan zu verlegen. Dort nämlich - und nicht im Irak - spiele sich die zentrale Auseinandersetzung der USA mit dem Terrorismus ab, eine Auseinandersetzung, die er - ähnlich wie im Irak - mit einer vorübergehenden Truppenverstärkung entscheiden zu können hofft.

Schon vor seinem Einzug ins Weiße Haus machte Obama klar, welche Strategie er in der Region verfolgen wolle. Besonders wichtig sei es, Afghanistan nicht länger isoliert zu betrachten, sondern vielmehr als Teil eines grenzüberschreitenden Problems. "Dazu gehören auch Pakistan, Indien, Kaschmir und Iran. Die Außenpolitik, die ich entwickeln will, ist basiert auf harter, direkter Diplomatie in Kombination mit effektiveren Militär-Operationen."


Mission mit vielen Fragezeichen

Richard Holbrooke und Hamid Karsai (Foto: AP)
Der US-Sonderbeauftragte Richard Holbrooke mit dem afghanischen Präsidenten KarsaiBild: AP

Wie das konkret aussehen soll, ist bis heute unklar. Immerhin aber benannte Obama zum ersten Mal einen US-Sonderbeauftragten für die Region: Richard Holbrooke, der sich als Vermittler im ehemaligen Jugoslawien einen Namen gemacht hatte. Holbrooke wird aber auch nachgesagt, das er immer mit militärischem Druck operiert habe und so sehr sich das im Fall des pakistanisch-afghanischen Grenzgebietes auch mit den Vorstellungen seines Chefs decken mag, es steht im Widerspruch zur erklärten Politik Islamabads, wo Präsident Zardari dafür plädiert, die Grenzgebiete mehr einzubinden. Die Reform der Stammesgebiete und die Integration in das gesellschaftliche Leben des Landes dürften nicht weiter aufgeschoben werden, so Zardaris unmissverständliche Forderung. "Wir müssen Terrorismus und Extremismus ausrotten, wo und wann immer sie ihr hässliches Gesicht zeigen."

Einführung der Scharia

Eine solche Integration aber findet derzeit noch nicht statt. Sie ist von den Radikalen in den Stammesgebieten auch ebenso wenig gewünscht wie von Taliban und El-Kaida. Besonders letztere fürchtet, dass sie bei einer "Normalisierung" in diesen Gebieten die Unterstützung der Bevölkerung verliert. Es kam deswegen wiederholt zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Anhängern der Regionalverwaltung, und die Radikalen hatten dabei die Oberhand. Sie ließen sich ihre Zustimmung zu einer Waffenruhe mit dem Zugeständnis abkaufen, in der Region die Scharia einzuführen, das strenge Gesetz des Islam. Von einer Gleichstellung mit "den pakistanischen Brüdern" ist deswegen nichts zu spüren, zumal amerikanische Angriffe den Unterschied natürlich auch unterstreichen.

Obama beim Truppenbesuch 2007 (Foto: AP)
Obama besuchte bereits 2007 als Präsidentschaftskandidat die Truppen in AfghanistanBild: AP

Daran ändert wenig, dass Präsident Zardari solche Angriffe schon mehrfach verurteilt hat. "Wir werden nicht tolerieren, dass unsere Souveränität und territoriale Integrität verletzt werden, auch nicht unter dem Vorwand, dies geschehe im Kampf gegen den Terrorismus." Die US-Truppen in Afghanistan werden weiter verstärkt, und Terroranschläge wie die in der indischen Metropole Mumbai im vergangenen Jahr zeigen, dass das Gewaltpotential in der Region noch lange nicht erschöpft ist. Die gezielten Anschläge schließlich auf die über Pakistan laufenden Versorgungswege der Amerikaner wie auch der NATO in Afghanistan sind eine zusätzliche Herausforderung für Washington und dessen Verbündete. Wie man ihr beikommen kann, scheint derzeit aber niemand zu wissen.