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Verlorenes Vertrauen

Henriette Wrege 3. November 2006

Grundrechte werden seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, vom 11. März 2004 in Madrid und vom 7. Juli 2005 in London eingeschränkt. Westliche Staaten verlieren dadurch dauerhaft an Glaubwürdigkeit.

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Überwachungskamera vor Big Ben in London
Überwachungskameras als Folge der Terrorbekämpfung in GroßbritannienBild: AP

Die Beachtung der Menschenrechte und die Bekämpfung des Terrorismus müssen nicht notwendigerweise ein Gegensatz sein, meint Heiner Bielefeldt, der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Trotzdem gibt es einige Punkte, an denen es zu Zielkonflikten kommt: Der eine ist das Recht auf Privatheit, das immer dann bedroht ist, wenn im Namen der Terrorismusbekämpfung unverhältnismäßig viele Daten erfasst werden. Der zweite Punkt betrifft die Nichteinhaltung des Folterverbots. Bielefeldt spricht sogar von einem Nachfrage-Markt für Folter.

"Terrorismus" ist nicht definiert

Ein Problem ist auch, dass eine verbindliche Definition des Begriffs "Terrorismus" fehlt. Der finnische Jurist Martin Scheinin ist seit Sommer 2005 Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommissarin. Er weist darauf hin, dass es 13 verschiedene internationale Konventionen gibt, die alle etwas mit Terrorismus zu tun haben. "Das schafft eine Situation, die es erlaubt, dass jedes Land für sich entscheidet, was Terrorismus ist. Regierungen können dann zum Beispiel ihre politischen Feinde zu Terroristen abstempeln: Gewerkschaften, Minderheiten, religiöse Bewegungen - und diese Gruppierungen dann mit hohen Strafen bedrohen."

Die internationale Gemeinschaft müsse deshalb sehr vorsichtig sein, wenn sie zu Aktionen gegen Terroristen aufrufe. "Es gibt ein hohes Potential des Missbrauchs, wenn zum Beispiel der UN-Sicherheitsrat zu Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus aufruft und dann den einzelnen Ländern die Definition überlässt", sagt Scheinin. Er betrachtet Terrorismus vor allem unter dem Aspekt, welche Taktik und welche Methoden benutzt werden. Für Scheinin sind nicht alle Freiheitskämpfer automatisch Terroristen. Er trennt nicht nach den ideologischen Zielen, sondern nach den Mitteln, die im Kampf eingesetzt werden.

Islamisch motivierter Terror

Wenn heute über Terrorismus geredet wird, ist in der Regel islamisch motivierter Terrorismus gemeint und eine Frage ist, warum es im Kampf gegen diese Form immer wieder zu Einschränkungen von Menschenrechten kommt. Zumal der islamisch motivierte Terrorismus weder in der Region noch was Ziele im Westen angeht, eingedämmt worden ist, wie Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik feststellt.

Die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus sei dafür einhergegangen mit geheimen Gefängnissen, mit der Inhaftierung ohne Anklage und illegalen Gefangenentransfers in Staaten, die für Folter bekannt sind, sagt Asseburg. Sie nennt Ägypten, Syrien, Jordanien, Marokko. Die Anklage finde oft vor Sondergerichten statt, die internationale Standards für einen fairen Prozess nicht einhielten.

Westliche Regierungen sollten ihr Handeln hinterfragen

Der Mangel an unabhängiger Justiz, Polizei und Sicherheitskräfte blieben weitgehend straffrei. "In dem Zusammenhang müssen westliche Regierungen sich selbst hinterfragen, inwiefern sie zu diesen Menschenrechtsverletzungen beitragen oder beigetragen haben. Es geht hier sehr ernsthaft darum, nachzudenken, wie glaubwürdig wir eigentlich noch sind", so die Wissenschaftlerin.

Dass der Westen offensichtlich mit zweierlei Maß misst, wenn es um den Schutz vor Terroristen geht, wird auf den Internet-Seiten des El-Kaida-Netzwerks zu Propaganda-Zwecken genutzt. Letztlich fände eine immer stärkere Radikalisierung der Bevölkerung statt und die pro-westlichen Regierungen verlören an Glaubwürdigkeit, betont Asseburg.