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"Terroristen werden oft falsch eingeschätzt"

24. April 2009

Abu Omar, ein Anführer von 'Al Kaida im Irak', soll gefasst worden sein. Welche Rolle spielen Terroristen wie er im Irak? DW-World.de sprach darüber mit Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

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Guido Steinberg von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik
US-Soldaten im Irak (Foto:ap)
Nach der jüngsten Anschlagserie im Irak sind die US-Soldaten in erhöhter AlarmbereitschaftBild: AP

Herr Steinberg, wer ist denn eigentlich Abu Omar?

Abu Omar ist so eine Art irakisches Gesicht der Al Kaida im Irak. Man hat der Organisation in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, dass sie eigentlich von ausländischen Arabern, von Saudis oder von Jordaniern, dominiert ist. Und deshalb hat sich die Organisation bemüht, einen Iraker zumindest als einen Teil der Spitze der Organisation im Land darzustellen. Es gibt noch einen weiteren Al Kaida-Führer, der wichtiger sein dürfte, mit dem Namen Abu Hamsa al-Muhajer, der ist kein Iraker.

Gibt es denn sozusagen einen Al Kaida-Führer im Irak? Ist das überhaupt eine hierarchisch strukturierte Organisation?

Ja, das ist eine hierarchisch strukturierte und sehr autoritär geführte Organisation. Der Al Kaida-Führer im Irak ist Abu Hamsa al-Muhajer. Insofern sind die Presseberichte, dass der Al-Kaida-Chef im Irak gefasst sei, in jedem Fall falsch.

Kann man denn bei Al Kaida überhaupt von einer Organisation sprechen?

Ja, man muss wohl von verschiedenen Organisationen sprechen. Es gibt zum einen die Al Kaida-Zentrale um Osama bin Laden. Al Kaida im Irak war lange Zeit vollkommen unabhängig von der Al Kaida-Spitze, zumindest bis 2006. In den letzten Jahren scheint sie sich doch der Al Kaida-Spitze in Pakistan angenähert zu haben, aber sie ist in jedem Fall eine Organisation im Irak.

Gehören denn alle Attentäter im Irak irgendwie zu Al Kaida? Oder gibt es weitere Terrorgruppen, die sich von Al Kaida unterscheiden?

Es gibt im Irak eine ganze Reihe von terroristischen Gruppierungen. Vor allem in der Vergangenheit war Al Kaida nur ein Teil einer größeren Aufstandsbewegung. Allerdings haben viele dieser Gruppierungen den bewaffneten Kampf in den Jahren 2007 und 2008 aufgegeben, so dass Al Kaida im Irak heute mit Abstand die wichtigste Gruppierung ist, und sie dürfte auch für die meisten dieser Anschläge - allerdings beileibe nicht für alle - verantwortlich sein.

Eine Verhaftung von Terrorverdächtigen im Irak (Foto:ap)
Eine Verhaftung von Terrorverdächtigen im IrakBild: AP

Woher wissen wir eigentlich, wie wichtig tatsächlich einzelne Terroristen von Al Kaida tatsächlich sind? Manchmal hört man ja, dass ein ganz wichtiges Mitglied gefasst wurde, und hat den Namen aber noch nie gehört.

Ja, das ist richtig. Das passiert auch dem Terrorismusspezialisten ab und zu. Das ist ein sehr, sehr großes Problem. Nach meinem Eindruck werden die Angehörigen dieser Terrororganisationen sehr, sehr oft falsch eingeschätzt, und Sicherheitsbehörden neigen - nicht nur im Irak, sondern weltweit - dazu, diejenigen Al Kaida-Angehörigen, die sie selbst fassen, für besonders wichtig zu halten. Da muss man entgegensteuern, aber dafür gibt es ja eine ganze Reihe von Spezialisten, die das richtig einordnen können.

Nun haben Sie gesagt, die Meldung, dass Abu Omar gefasst worden sei, sei mit Sicherheit falsch. Wir haben ja immer wieder diese Meldungen gehabt, dass er gefasst worden sei oder sogar getötet worden sei. Hat das System? Was steckt denn dahinter?

Nein, ich habe gesagt, die Meldung, dass der Al Kaida-Führer im Irak gefasst worden sei, ist mit Sicherheit falsch, insofern als er eben nicht die Nummer 1 in dieser Organisation ist. Inwiefern jetzt diese Nachricht stimmt, kann man tatsächlich noch nicht sagen. All diese großen Al Kaida-Führer im Irak wurden mehrfach gefasst und auch teilweise getötet, und es hat sich dann herausgestellt, dass das eine Fehlmeldung war. Das liegt vor allem an der Ineffektivität der dortigen Sicherheitsbehörden, an Konflikten zwischen diesen Behörden und den Besatzungstruppen. Man kann sich auf solche Informationen erst dann verlassen, wenn man tatsächlich auch unabhängige Bestätigungen hat, wenn man Bilder hat von der Person und weitere Informationen. Dafür ist es im Moment noch zu früh.

Aber eine Absicht vermuten Sie nicht dahinter?

Doch, es gibt da sicherlich oft auch die Absicht, durch schnell verkündete Erfolge die Organisation zu verunsichern, vielleicht Panikreaktionen auszulösen. Das ist ein normales Mittel in der Terrorismusbekämpfung, nicht nur im Irak, auch anderswo. Fehlinformationen sind oft auch Teil von Strategien. Allerdings funktioniert das sehr oft nicht.

Woher stammen denn eigentlich unsere Informationen über Al Kaida?

Irakische Armee im Wiederaufbau (Foto:ap)
Die irakische Armee ist auf schnelle Erfolgsmeldungen angewiesenBild: AP

Das kommt darauf an, wer "uns" in diesem Fall ist. Also, wenn es um die Bundesrepublik geht, so hat sie eine ganze Reihe von offiziellen Kanälen, um an solche Informationen zu kommen. Sie hat ihre Nachrichtendienste. Wenn Sie mich fragen, dann sind es vor allem öffentliche Informationen. Die sicherste Basis, um Terrororganisationen zu erforschen, ist, dass man ihre Eigenäußerungen sehr genau beobachtet, also alles propagandistische Material, ihre Videos usw. und das dann abgleicht mit dem wirklichen Geschehen, d.h. mit den Anschlägen vor Ort. So bekommt man die oft einzigen verläßlichen Informationen zur Entwicklung von Terrororganisationen.

Und wie schätzen Sie die Informationen, Abu Omar sei gefasst worden, ein?

Ich habe zunächst einmal große Zweifel, ganz einfach weil diese Informationen ja auch in den letzten Jahren schon häufig falsch waren. Ich würde jetzt einige Tage abwarten und auf weitere Belege warten. Ich denke mal, da kommen Meldungen. In der Regel kann man sich dann auf die amerikanische Presse verlassen.

Guido Steinberg ist Nahost-Experte mit Schwerpunkt Irak bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik.

Das Gespräch führte Anne Allmeling.