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Test für den Aufschwung

Henrik Böhme, zzt. Hannover19. April 2004

In Hannover hat die weltgrößte Industriemesse ihre Pforten geöffnet. Sie gilt nach wie vor als wichtiges Konjunktur-Barometer - und dieses Barometer zeigt noch keinen strahlenden Sonnenschein.

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Freundlicher Empfang für den Bundeskanzler in HannoverBild: AP

Optimismus: So lautet das Pflichtprogramm zur Eröffnung einer jeden Messe. Das ist auch in Hannover immer schon so gewesen. Und die große Industrieschau ist das, was man gemeinhin ein Konjunkturbarometer nennt. Und doch ist in diesem Jahr alles irgendwie anders. Denn diese Messe findet zu einem Zeitpunkt statt, der sensibler nicht sein könnte. Die Frage lautet schlicht: Gelingt der Aufschwung - oder läuft er ins Leere?

Für die Weltwirtschaft mag die Frage fürs erste beantwortet sein. Die Konjunktur-Lokomotive USA macht wieder ihren Job, und das Sorgenkind Japan scheint aus dem Gröbsten heraus zu sein. Europa aber hinkt hinterher - und das einstige Zugpferd Deutschland - es lahmt. Der Bundeskanzler sieht das natürlich anders: Seine Regierung habe vieles auf den Weg gebracht, das Land sei ein hervorragender Wirtschaftsstandort. Er jedenfalls sehe klare Signale für den Aufschwung.

Deutschland lebt von der Substanz

Leider aber sieht das in der Realität nicht ganz so klar aus. Deutschland lebt momentan von der Substanz - während die wirtschaftliche Basis langsam, aber sicher, erodiert. Dass die deutsche Industrie nach wie vor weltweit führend ist, das wird ohne Zweifel hier in Hannover erneut sichtbar. Aber sichtbar wird ebenso, wo die Konkurrenz lauert: Einerseits in Asien, andererseits direkt vor der Haustür: Europas Osten kommt gewaltig. Gegen diese Konkurrenz wird Deutschland nur als High-Tech-Standort bestehen können.

Wenn aber die Regierung der Meinung ist, mit der 10-Euro-Praxisgebühr sei erst einmal genug reformiert, dann ist sie auf dem Holzweg. Schlimmer noch: Um die Beton-Fraktion zu besänftigen, werden gleich einige wachstumsfeindliche Beschlüsse hinterher geschoben. Dabei gäbe es weiter viel zu tun: Der deutsche Arbeitsmarkt beispielsweise muss dringend flexibler werden. Denn das ist eine der wichtigsten Ursachen dafür, dass deutsche Unternehmen ihr Heil anderswo suchen.

Gesichtspflege auf der Messe?

Was aber macht Berlin? Statt über die Ursachen nachzudenken, warum eine Firma ins Ausland geht, stimmt sie ein lautes Klagen über die angeblich "vaterlandslosen Gesellen" an. Vielleicht sollten sich Politiker einfach mal nur mehr Zeit nehmen, den Unternehmern zuzuhören - und nicht nur schnell zur Gesichtspflege in zwei Stunden über das riesige Messegelände hasten. Wenn die Politik auch nur einen Bruchteil des Innovationstempos aus der Industrie übernähme, dann wäre Deutschland schon viel geholfen.

Für den Moment aber gilt: Die Messetage von Hannover müssen ein klares Signal der Orientierung geben - für die Wirtschaft, für den Aufschwung. Gelingt dies nicht, brechen für die deutsche Industrie ganz schwere Zeiten an.