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Teure Träume

Christine Harjes17. Juni 2002

12.000 US-Dollar für einen Studienplatz in Deutschland. Dafür versprechen Vermittlungsagenturen chinesischen Studenten ein "Rundum-Sorglos-Paket". Aber in Deutschland angekommen, gehen die Sorgen erst richtig los.

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Ohne Perspektive: Gao YangBild: AP

Gao Yangs Karriereplanung war klar: Erst wollte er Deutsch lernen und dann Maschinenbau studieren. Mit einem deutschen Universitätsabschluss sollten dem Chinesen die Türen zu den Top-Jobs offen stehen. Seine Eltern sparten ihr Geld und investierten in die Ausbildung des Sohnes. 12.000 US-Dollar zahlten sie, damit er es irgendwann einmal besser haben würde als der Armee-Angestellte und die Arbeiterin. Visum, Sprachkurs, Unterbringung im Wohnheim und vor allen Dingen den Zugang zum Hochschulstudium – um alles wollte sich die Agentur kümmern.

Leben auf der Baustelle

Wie das deutsche Leben ihres 19 Jahre alten Sohnes aussieht, wissen Gao Yangs Eltern nicht. "Die würden sich schreckliche Sorgen machen," sagt er und stößt die Eingangstür zu seinem Wohnheim auf. In der ehemaligen Kaserne im Kölner Vorort Junkersdorf wohnen ausschließlich Chinesen. Sie alle sind über die Deutsch-Chinesische Kulturakademie nach Deutschland gekommen. Draußen warnen Schilder vor dem Betreten des Gebäudes. Offenbar besteht Unfallgefahr. Schon als Gao Yang vor einem Jahr ankam, wurde hier überall gebaut. Immer noch ist das Haus eine riesige Baustelle.

Lauter Dreck

Ein Rohbeton-Treppenhaus verbindet die vier Etagen, auf denen die Studenten untergebracht sind. Zwei Betten, zwei Schreibtische, zwei Schränke: Sein Zimmer teilt Gao Yang mit einem anderen Chinesen. Er hat Glück; die meisten anderen wohnen zu dritt in einem Zimmer. Badezimmer und Küche teilen sich alle. In der Küche hängt ein Fenster schief in den Raum; der Boden ist mit Dreck übersät.

500 Euro im Monat kosten die Zimmer; enthalten in der Gebühr von 12.000 Dollar. Im selben Gebäude findet auch der Deutsch-Kurs statt. "Aber bei dem Baulärm kann ich mich kaum konzentrieren," sagt Yang. Auch Kontakt zu Deutschen habe er kaum. "Wie denn auch?", fragt Yang, "wir sind doch hier nur Chinesen. Manchmal rede ich aber im Bus oder in der U-Bahn kurz mit Deutschen." Trotzdem: Seit er im Juni vor einem Jahr nach Deutschland gekommen ist, hat Gao Yang viel gelernt. Neue Wörter schaut er sofort in seinem Wörterbuch nach und abends sitzt er meist noch lange über seinen Deutschbüchern.

Falsche Versprechungen

Doch jetzt soll er zurück nach China. Von einem anschließenden Fachstudium will die Agentur nichts mehr wissen. Dabei wirbt die chinesische Partneragentur mit dem Kölner Berufskolleg "Rheinische Akademie" als Kooperationspartner. Dort könnten die Chinesen in vier Semestern die Fachhochschulreife erlangen um anschließend ein Studium aufzunehmen, heißt es in der Broschüre.

Ralf Frömbgen, Schulleiter der Rheinischen Fachakademie will mit der Deutsch-Chinesischen Kulturakademie nichts zu tun haben. Jochen Halbach von der Deutsch-Chinesischen Kulturakademie ist zu einer telefonischen Stellungnahme nicht bereit: "Da ist so viel Müll geschrieben worden, dass ich nichts mehr sage."

Frömbgen findet dagegen deutliche Worte: "Vor über einem Jahr haben die sich mal die Schule angesehen. Das ist alles. Ich distanziere mich von diesen Machenschaften. Wir nehmen grundsätzlich niemanden von der Agentur auf." Die Zugangsvoraussetzung, eine abgeschlossene Berufsausbildung, würden die meisten der chinesischen Studenten ohnehin nicht erfüllen.

Zurück auf Null

Für Gao Yang eine Katastrophe: "Meine Freunde in China haben jetzt alle schon zwei Semester studiert," sagt er, "Ich habe nichts. Das ganze Geld und ein Jahr kostbare Zeit – alles umsonst." Viele aus seinem Wohnheim sind schon nach China zurück gegangen – ohne einen Abschluss. Yang will nicht aufgeben. Er hat sich einen Anwalt genommen und klagt gegen die Agentur. Gut stehen seine Chancen nicht: Sein Visum läuft im Juni ab.