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Teure Traumfabrik

Michael Brückner3. September 2002

Babelsberg - der ruhige Stadtteil von Potsdam, direkt an der Berliner Stadtgrenze ist seit 90 Jahren der berühmteste Drehort Deutschlands. Doch Tradition allein garantiert noch keinen geschäftlichen Erfolg.

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Warschauer Ghetto am Berliner Stadtrand: Filmkulisse aus Polanskis "The Pianist"Bild: Studio Babelsberg

"Die erfahrenen Handwerker, Schreiner, Stuckateure, Kulissenmaler und Schneider sind das wertvollste Kapital von Babelsberg", stellt Felix Neunzerling stolz fest. Im Gespräch mit DW-WORLD nennt der Sprecher von Studio Babelsberg Motion Picture ein Beispiel. So sei ein Filmprojekt der Regisseurin Dominique de Rivaz über den Barockkomponisten Johann Sebastian Bach beinahe dem Jahrhunderthochwasser zum Opfer gefallen. Denn das Team hatte sich ein uraltes Haus im sächsischen Grimma zur Dreh-Kulisse gewählt. Doch Grimma wurde von den Fluten verwüstet.

Zuflucht in Babelsberg

In dieser Situation fanden die Filmemacher Zuflucht in den berühmten Hallen, in denen schon Marlene Dietrich, Lilian Harvey und Fritz Lang gearbeitet haben. "In einer Woche haben dann unsere Handwerker in Babelsberg eine passende Kulisse hingestellt, das Haus innen und außen nachgebaut" erläutert Neunzerling nicht ohne Stolz.

"Art Department" nennt sich so etwas heute. Ganze Armeen können aus dem Studio-Fundus von über 250.000 Kostümen mit der passenden Uniform ausgestattet werden. Professionelle Schneider passen die Kostüme jeder Figur an, oder nähen einfach schnell etwas Neues. Egal in welcher Epoche ein Film spielt, welche Lampen damals gerade en vogue waren, fast alles findet sich in den riesigen Lager-Hallen auf dem Studio-Gelände.

Studio mit Tradition

Tonkreuz - Studio Babelsberg
Babelsberger StudiogeländeBild: Studio Babelsberg

Seit 90 Jahren wird in Babelsberg gedreht. Auf dem weitläufigen Gelände, wo einst Futtermittel und Kunstblumen hergestellt wurden, entstand erstmals 1912 ein Kinofilm. Sein Titel: "Der Totentanz" mit Asta Nielsen in der Hauptrolle. Ab 1917 wurde hier die legendäre Filmgesellschaft Ufa Alleinherrscherin. Unter nationalsozialistischer Herrschaft diente die deutsche Traumfabrik nicht mehr allein der Unterhaltung, sondern wurde auch zu Propaganda-Zwecken eingesetzt. Selbst im April 1945 wurde hier noch gedreht, als schon der Donner der russischen Geschütze vor Berlin zu hören war.

Die russische Militäradministration und später die DDR betrieben das riesige und damals hochmoderne Studio als "Deutsche Filmaktiengesellschaft" (DEFA) weiter. 1990, als sich die DDR auflöste war es technisch gesehen nur noch ein Museum. "Digital" war hier ein Fremdwort. 1992 kaufte der ehemalige französische Wasserversorger und heutige Medienkonzern Vivendi die Studios und das Grundstück von der Treuhand-Gesellschaft.

Bislang nur Verluste

Ungefähr 500.000 Euro hat Vivendi dort seit 1992 investiert, davon kamen rund 125.000 Euro aus dem staatlichen "Aufbau-Ost"-Programm. Schwarze Zahlen haben die Babelsberger aber noch nie geschrieben. Das gibt auch Studio-Sprecher Neunzerling zu. Daher wurde vor einem Jahr das Führungspersonal weitgehend ausgestauscht, das Unternehmen umstrukturiert und abgespeckt. Statt 2400 Mitarbeitern, wie noch 1990 sind nur noch 180 bei der "Studio Babelsberg Motion Pictures GmbH" beschäftigt. Geschäftsführerin ist jetzt die Österreicherin Gabriela Bacher, die zuvor unter anderem für die Kirch Gruppe aktiv war.

Mit 33 Millionen Euro Umsatz im letzten Jahr und sechs großen Kinofilmproduktionen gehören die Babelsberger zu den kleinen Posten im riesigen Vivendi-Haushalt. Trotzdem scheint die Zukunft ungewiss: Seit dem Zusammenschluss mit dem Mediengiganten Universal ist der Mega-Konzern ins Gerede gekommen und gilt als schwer angeschlagen. Was der Mutterkonzern langfristig mit Babelsberg vor hat, das wollen oder können die Betroffenen selbst noch nicht sagen. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass die Angestellten eines Weltkonzerns erst aus der Presse Neuigkeiten über ihre eigene Zukunft erfahren.

Hollywood in Brandenburg?

Kostüme aus dem Studio Babelsberg
Kostüme aus dem Studio BabelsbergBild: Studio Babelsberg

Der in den Medien so beliebte Vergleich mit Hollywood ist allerdings schlicht unrealistisch: "Universal hat mehrere Dutzend feste Kulissenanlagen, das sind ganz andere Dimensionen." sagt Neunzerling. Trotzdem: In Europa sei man unvergleichlich. Das einzige "Full-Service-Studio" auf dem alten Kontinent biete von der Planung und Kalkulation übers Kulissenbauen bis zum Schneiden und Kopieren alles aus einer Hand; ein Gegenkonzept zum sonst so beliebten „outsourcing“. Und für die Postproduktion steht seit einem Jahr Europas modernstes digitales Mischstudio zur Verfügung. Es wurde in ein sehr schickes Kino im 70er-Jahre-Look integriert, das aus DDR Zeiten stammt und jeden Retro-Fan in Entzücken versetzten würde. So findet bereits die Produktion unter den Bedingungen eines Großkinos statt.

Außerdem ist in Babelsberg noch viel Platz für Neues frei: Zwischen den Hallen aus alten Glanztagen, den Fernsehstudios des brandenburgischen Landessenders ORB und den 136 kleinen und Kleinst-Unternehmen, die sich dort sonst noch im Medienbereich versuchen, liegen riesige Grundstücke brach. Die bieten noch Raum für viele große Kulissen. Nur die Produzenten müssten kommen.