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NSU-Ermittlungen ein "Desaster"

21. August 2014

"Fiasko", "Desaster": Mit drastischen Worten wirft der NSU-Ausschuss des Thüringer Landtags den Behörden Fehler bei der Verfolgung der rechten Terrorzelle vor. Sogar vom "Verdacht gezielter Sabotage" ist die Rede.

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Fahndungsfotos von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Nach zweieinhalb Jahren Arbeit hat der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss offiziell seinen Abschlussbericht vorgelegt. Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) sagte bei der Übergabe des Berichts in Erfurt, mit dem Untersuchungsausschuss habe das Parlament "einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung geleistet". Der Bericht zeige auch, dass staatliches Handeln jederzeit hinterfragt werden könne und wie wichtig parlamentarische Kontrolle sei.

Die drei mutmaßlichen Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos (Artikelbild) stammen aus Thüringen und radikalisierten sich dort.

Fahndung war ein "einziges Versagen"

In dem Bericht stellen die Abgeordneten den Thüringer Sicherheitsbehörden, der Staatsanwaltschaft, aber auch der Politik ein vernichtendes Urteil bei der Verfolgung der NSU-Terrorzelle aus. Die Geschichte der Fahndung nach dem Trio sei "ein einziges Versagen", ein "Destaster" und ein "Fiasko" gewesen, heißt es in dem knapp 1800 Seiten umfassenden Bericht.

Wichtige Informationen seien zurückgehalten, Spuren und Hinweise nicht verfolgt worden, beklagt der Ausschuss. Auch bei der Zusammenarbeit zwischen den Behörden, vor allem zwischen dem Thüringer Verfassungsschutz und dem Landeskriminalamt, habe es eklatante Mängel gegeben, wobei vor allem der Verfassungsschutz dabei den angeblichen Schutz von "Quellen" in der rechtsextremen Szene vorgeschoben habe.

"Verdacht gezielter Sabotage"

Die Häufung falscher oder nicht getroffener Entscheidungen lassen nach Ansicht des U-Ausschusses auch "den Verdacht gezielter Sabotage" bei der Suche nach dem untergetauchten Trio zu. Zumindest mittelbar hätten die Sicherheitsbehörden zudem den Aufbau rechtsextremer Strukturen in Thüringen begünstigt. Als Beispiel nennt der Bericht den Umgang mit dem rechtsextremen V-Mann Tino Brandt, der übermäßig hohe Prämien erhalten habe und offenbar vor gegen ihn gerichteten Ermittlungen gewarnt worden sei.

Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) würdigte die Arbeit des Ausschusses als wichtigen Beitrag "für die Aufarbeitung dieses beispiellosen Falles von Behördenversagen in Bund und Ländern". Er verwies darauf, dass zuvor eine vom Innenministerium eingesetzte Kommission bereits eklatante Versäumnisse der Behörden benannt hatte.

Landtag bittet um Entschuldigung

Der Thüringer Landtag entschuldigte sich bei den Angehörigen der Opfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). "Wir bitten Sie für die Verdächtigungen und für die lange Zeit fehlende Empathie um Verzeihung", sagte Landtagspräsidentin Birgit Diezel.

Der Thüringer Untersuchungsausschuss hatte im Februar 2012 seine Arbeit aufgenommen. Der NSU soll bundesweit zehn Menschen getötet haben. Das Trio war 1998 untergetaucht, nachdem die Polizei in einer Garage in Jena Rohrbomben und Sprengstoff gefunden hatte.

Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe muss sich derzeit vor dem Oberlandesgericht München verantworten. Die beiden anderen Mitglieder des NSU-Trios, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, hatten sich im November 2011 nach einem missglückten Banküberfall mutmaßlich selbst das Leben genommen.

cr/haz (afp, dpa, epd)