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Thailändische Ignoranz

Patrick Tippelt19. September 2006

Die Samstagsbomben im Süden Thailands töteten vier Menschen. Die Touristikbranche fühlt sich als Hauptopfer und zetert. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Vorerst zumindest.

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Noch eben was fürs Frühstück besorgen. Oder schon in einer gemütlichen Kneipe sitzen. Die Welt an sich vorbeiziehen lassen. Vor dem Kinofilm noch schnell auf die Toilette. An einem warmen Samstagabend ähnelt Thailand der ganzen Welt. Auf dem Land geht man früher schlafen, doch in den Städten, da blüht um 21 Uhr der Abend noch. Da bereitet man sich noch auf die Wochenendnacht vor, aufs Ausgehen mit Freunden, Zeit mit Bekannten und Verwandten, der Familie.

Als am Samstagabend (16.9.2006) die Bomben detonierten, da traf es das Herz einer Stadt. Eine Ausgehmeile. Die Ziele: zwei Kaufhäuser, ein Einkaufszentrum, eine Kneipe, ein Hotel und ein Kino. Und es traf Hunderte von Menschen. Von Zivilisten. Von Unschuldigen. Von Nicht-Wissenden.

Ein falscher Toter – und die Weltpresse ist da

Vier Tote – darunter ein kanadischer Lehrer – und 82 Verletzte sind zu beklagen. Aber eigentlich viel mehr. Vor allem die nordamerikanische Presse ist nun alarmiert. Dass es doch tatsächlich einen von ihnen treffen kann, in diesem Land, von dem fast jeder im Westen ein Bild vor dem geistigen Auge hat: Die Palmen, den weißen Strand, die immerwährende Sonne, bezaubernde, allzeit lächelnde Einheimische.

Die Unruhen im muslimischen Süden des Landes, das ist selten eine Nachricht wert. Als vor nicht einmal einem Monat Bomben vor 22 Banken detonierten, da wurden Augenbrauen hochgezogen, für einen Moment. Dann ging es zurück zum wahrhaftig wichtigen Tagesgeschehen. Nun aber ist ein Kanadier umgekommen, und die Medien stürzen ins Unruhegebiet.

Großer Schritt des Terrors

Und zu Recht. Denn die Samstagsbomben von Had Yai sind ein großer Schritt für die Separatistenbewegung, ob es nun einheimische Muslime sind oder aus Malaysa eingewanderte Terroristen. Eine Unruhe eskaliert hier seit Jahren zum Bürgerkrieg, weitgehend unbeobachtet, denn die Touristenorte liegen nicht in umittelbarer Nähe. Jetzt wird auch vor Besuchern kein Halt mehr gemacht.

Daher stand in keiner Tageszeitung Thailands eine Zeile über die Bombendrohungen, die am selben Tag in Bangkok eingingen. Zu viel steht für Thailand auf dem Spiel. Gebeutelt von den Erinnerungen des Tsunamis Weihnachten 2004, liegt die Tourstikbranche vielerorten flach. Seit Samstag stornierten über 7000 Touristen ihre Reise ins Paradies. Die Einnahmeverluste allein in den vergangenen drei Tagen: über zwei Millionen Euro.

Nationale Scheuklappen

Aber was wird hier beklagt? Die Branche beschwert sich über politich-religiöse Unruhen anstatt über den Umgang der Regierung damit - welche die Forderungen grundsätzlich ignoriert, das Flehen der Bürger im Süden überhört. Wenn auch nicht direkt, so wird die Eskalation vom Staat vorangetrieben. Das Militär klopft Macho-Sprüche, karge Gespräche an runden Tischen mutieren zu herrischen Monologen. So – und das könnten die Regierenden doch nun wirklich von anderen Ländern mit ähnlichen Problemen lernen – lässt sich kein Frieden schaffen.

Derweilen herrscht in Bangkok harter Berufsverkehr. Biergärten bieten Feierabenderfrischung. Ein Edelclub feiert seinen vierten Geburtstag. Had Yai, das liegt 1000 Kilometer weiter südlich. Einheimische und Touristen tun, als ob nichts passiert sei. Bis der Terror wie ein Virus wandert, ins Herz des Landes.