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Thailand und die zwiespältige Rolle des Militärs

17. Juli 2009

Thailands Militär gilt als äußerst putschfreudig. Seit dem Ende der absoluten Monarchie im Jahre 1932 gab es achtzehn mehr oder weniger blutige Staatsstreiche und Putschversuche.

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Thailändischer Soldat Foto: AP)
Thailands putschfreudige ArmeeBild: AP

Auch sonst ist die Vergangenheit der thailändischen Armee alles andere als rühmlich: Massendemonstrationen für mehr Demokratie wie in den 1970-er Jahren oder 1992 begegnete sie mit brutaler Gewalt.

Der letzte Putsch vom September 2006, der unblutig verlief, hat ein neues Kapitel in der Geschichte aufgeschlagen: Er hat den Machtkampf zwischen zwei Lagern verschärft. Während die einen für eine Demokratie nach westlichem Muster kämpfen und sich eine Einmischung der Armee in die Politik verbitten, fordern die anderen eine Rückbesinnung auf die Werte "Nation, Religion und Monarchie" und damit ungebrochene Privilegien für die konservativen Eliten.

Thailändische Soldaten (Foto: AP)
Soldaten auf Bangkoks Straßen nach dem Putsch 2006Bild: AP

Der Staatsstreich vom 19. September 2006

Durch den letzten Putsch vom September 2006 wurde der umstrittene Premier Thaksin Shinawatra gestürzt. Die Begründung: Thaksin sei korrupt - und er habe das Land gespalten. Doch tatsächlich ging es um den Erhalt der eigenen Macht. Eine alteingesessene Elite aus Militärs, Monarchisten, Geldadel und Bürokraten verachtete Thaksin und dessen Clique neureicher Wirtschaftsbosse als Emporkömmlinge. Thaksin hatte etwas getan, was konservativen Kreisen nie in den Sinn gekommen wäre: Er hatte sich die Stimmen der armen Landbevölkerung aus dem Norden und Nordosten gesichert. Diese Landbevölkerung macht die Mehrheit der Wählerschaft aus. Die Armen bestimmten auf einmal, wer im Lande regieren sollte und die alten Eliten sahen dadurch ihre Privilegien bedroht.

Thailands Gesellschaft ist so polarisiert wie nie zuvor, und das Militär ist wesentlich mitverantwortlich für dieses Dilemma. Die Loyalität der Streitkräfte sei festgeschrieben, sagt der politische Analyst und Buchautor Chris Baker. Baker bezieht sich dabei auf eine Bemerkung von General Prem Tinsulanonda aus dem Jahr 2006kurz vor dem Sturz Thaksins. General Prem ist Vorsitzender des Kronrates, jenes Gremiums, welches Thailands verehrten König Bhumibol Adulyadej berät. "Ich glaube, es war im Juli 2006, als General Prem erklärte, Soldaten seien wie Pferde, und Regierungen seien Jockeys, aber keine Besitzer", erinnert sich Analyst Chris Baker. "Das ist eine sehr signifikante Aussage. Was er damit sagen wollte, ist, dass das Militär nicht der Exekutive, also der gewählten Regierung, gegenüber verpflichtet ist. Denn letztere kommt, reitet das Pferd eine Weile und tritt dann wieder ab, aber sie besitzt und kontrolliert das Pferd nicht."

Soldaten gegen Demonstranten
Soldaten gegen Demonstranten 2008Bild: AP

Turbulentes Jahr 2008 - Gehorsam verweigert

Dass diese Aussagen auch weiterhin gelten, zeigte sich im turbulenten Jahr 2008. Es war allerdings kein neuer Putsch nötig, um die damalige Regierung, die wieder aus Thaksin-Getreuen bestand, zu stürzen. Nachdem die Anhänger der außerparlamentarischen "Volksallianz für Demokratie" zuerst den Regierungssitz und dann die Flughäfen in Bangkok blockiert hatten, rief die Regierung den Ausnahmezustand aus. Doch die Armee verweigerte den Gehorsam. Sie rührte keinen Finger, um die Proteste der königstreuen, ultra-nationalistischen "Volksallianz" zu beenden.

Umso emsiger habe die Armee bei der Bildung der neuen Regierung im Dezember 2008 nachgeholfen, monierten Kritiker. Der jetzige Premierminister Abhisit Vejjajiva gilt als Regierungschef von Gnaden des Militärs. Und die Armee demonstriert, in welcher Rolle sie sich heute sieht. "Thailand hat die Idee von einer Armee kultiviert, die eine Mission hat", erklärt der Analyst Chris Baker. Für lange Zeit habe sie die Aufgabe gehabt, das Land gegen den Kommunismus zu verteidigen. Nachdem die Armee diese Mission durch das Ende des Kalten Krieges verloren habe, sei sie ziemlich ziellos gewesen. "Letztendlich", sagt Baker weiter, "kamen die Militärs darauf, dass die Rolle, in der sie beliebt und heroisch sein können, darin besteht, die Monarchie zu verteidigen."

Damit steht das Militär jedoch nicht allein. Denn in dieser Hinsicht hat sich Abhisits regierende Demokratische Partei zum Erfüllungsgehilfen der konservativen Kreise gemacht, darunter auch Angehörigen des Militärs. Es ist kein Zufall, dass in den vergangenen Monaten etliche tausend Internetseiten und Blogs wegen angeblicher Majestätsbeleidigung gesperrt wurden. Nach Angaben aus Regierungskreisen geschieht dies aus Sorge um die "nationale Sicherheit". In diesem Zusammenhang gibt es zudem eine steigende Zahl von Strafanzeigen unter anderem gegen Akademiker, Aktivisten und Journalisten. Kritiker erklären, das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung werde vom Militär und anderen autoritären Eliten als Mittel dafür benutzt, um die eigenen Interessen zu schützen.

Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva
Der vom Militär eingesetzte Premier Abhisit VejjajivaBild: AP

Ein "faustischer Pakt"

Im Großen und Ganzen habe Premierminister Abhisit Vejjajiva einen "faustischen Pakt" mit dem Militär geschlossen, sagte neulich ein Politikwissenschaftler und Analyst. Im Klartext heißt das: Abhisit darf regieren, solange er die Vormachtstellung und die Pfründe der Armee unangetastet lässt. Aber dafür dürfte die jetzige Regierung ohnehin zu schwach sein. Unter anderem hält sie sich auffallend damit zurück, Menschenrechtsverletzungen des Militärs und anderer Sicherheitskräfte zu verurteilen - wie zum Beispiel im muslimischen Süden Thailands oder beim Umgang mit Bootsflüchtlingen der Rohingya-Minderheit zu Beginn des Jahres 2009.

Autorin: Nicola Glass
Redaktion: Ralf Buchinger

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