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100 Jahre Frank Sinatra

Das Gespräch führte Conny Paul11. Dezember 2015

"Ol' Blue Eyes" kam am 12.12.1915 in Hoboken am Hudson River zur Welt. Sinatras Eltern stammten aus Italien. Im Gespräch mit der DW erinnert Sinatra-Biograf Johannes Kunz an besondere Stationen im Leben des Weltstars.

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Frank Sinatra vor Polizei Fans (Foto: Imago/United Archives)
Bild: Imago/United Archives

Deutsche Welle: Herr Kunz, ich kenne einen großen Sinatra-Fan, der vor allem Frankie Boys Zusammenarbeit mit Nelson Riddle schätzt. Er behauptet, das sei Sinatras Hochzeit gewesen. Wie sehen sie das?

Johannes Kunz: Das ist richtig. Nelson Riddle und Gordon Jenkins waren zwei Arrangeure, mit denen Sinatra einige seiner besten Aufnahmen gemacht hat. Wobei man sagen muss, dass er nur mit ausgezeichneten Orchestern und Arrangeuren gearbeitet hat - in späteren Jahren mit Quincy Jones beispielsweise oder in seinen frühen Jahren mit Axel Stordahl. Das war in den 1940er Jahren, als er mit Tommy Dorsey aufgetreten ist.

Auch bei der Auswahl seiner Songs und der Orchester war er sehr treffsicher...

Er war - was seine Eigenschaft als Sänger betrifft - ein absoluter Perfektionist. Er war hervorragend bei der Auswahl seines Song-Materials. Er hat sich die besten Lieder des Great American Songbook ausgesucht. Also Lieder von Gershwin, Cole Porter oder Irvin Berlin. Das gilt auch für die Orchester, mit denen er zusammengearbeitet hat. Er hat ausgezeichnete Aufnahmen gemacht mit Count Basie, und leider nur eine einzige LP mit dem Orchester von Duke Ellington. 1974 hat er ein ganz tolles Fernseh-Konzert gegeben, das war sein Comeback im Madison Square Garden mit der Big Band von Woody Herman. Sinatra kam aus der Ära der Big Bands, die ihre Blütezeit in den 1930er Jahren hatte.

Crooner der Nation

Ein Sänger wird ja nicht einfach mal so zum Popstar. Wer waren seine Vorbilder?

Sinatra war ein Einzelgänger. Er war erstens ein Autodidakt. Er war geprägt vom damaligen Idol Bing Crosby. Sehr viele Sänger haben damals Cosby nachgeahmt. Der war damals der Mastermind der Vokalisten. Sinatra wollt aber bewusst eigene Wege gehen. Und das ist ihm gelungen. Mitte der 1940er Jahre hat Sinatra Bing Crosby als Teenager-Idol abgelöst. Sinatra war damals die Nummer eins. Der "Crooner" der Nation.

Mit dem Rock 'n' Roll gab es zugleich auch neue Idole für die Jugend. Was bedeutete das für die Karriere Frank Sinatras?

Das bedeutete einen Einbruch Anfang der 1950er Jahre. Die Jugend hatte sich von den Sängern der Big-Band-Ära abgewandt und sich den Stars des Rock 'n' Roll zugewandt. Mit diesem neuen Stil konnte Sinatra überhaupt nichts anfangen. Das passte nicht zum seinem Auftreten mit Smoking und Fliege. Es gibt Äußerungen von ihm über Elvis Presley, die vernichtend waren. Aber im Laufer der Jahre musste Sinatra anerkennen, dass Presley eine ungeheure Popularität entwickelt hat. So kam es, dass Sinatra Presley nach dessen GI-Zeit in Europa in seine TV-Show eingeladen hat und sie gemeinsam gesungen haben.

Frank Sinatra ist auch bekannt für seine Frauengeschichten. Er soll nur wenige Möglichkeiten ausgelassen haben. Das hat ihm doch sicherlich auch geschadet?

Er hatte seine Frau Nancy wegen Ava Gardner verlassen. Ihr war er richtig verfallen. Das war eine unwahrscheinlich erotische Beziehung. In den damals sehr prüden USA wurde das Sinatra in den Medien sehr übel genommen. Man hat nicht verstanden, wie ein so erfolgreicher Sänger eine Frau mit drei kleinen Kindern verlassen kann. Er war ein Womanizer. Er hatte unzählige Verhältnisse, darunter mit so prominenten Damen wie Lauren Bacall, Marilyn Monroe, Marlene Dietrich. In der Wiener Umgangssprache würde man sagen: "Er hat nichts ausgelassen".

Auch seine angebliche Nähe zur Mafia schadete seiner Karriere...

Ja, auch das hat Sinatra damals sehr geschadet: Anhand von Fotos und Zeitungsberichten hat man ihm nachgewiesen, dass er sich Ende der 1940er Jahre mit Mafia-Größen in Havanna getroffen hat - darunter war auch der Paten aller Paten: Lucky Luciano. Das alles hat dazu geführt, dass er keinen Plattenvertrag und auch keinen Filmvertrag mehr hatte.

Das wichtigste Comeback

Aber zu seinem großen Glück war er damals mit dem Hollywood-Star Ava Gardner zusammen. Wie konnte sie ihm wieder zurück ins Geschäft helfen?

Das Interessante ist, dass sein großes Comeback, das über viele Jahrzehnte hielt, über den Film "Verdammt in alle Ewigkeit" (1953) kam. Für die Rolle des Angelo Maggio sollte eigentlich Eli Wallach gewonnen werden, der allerdings abgelehnt hatte. Sinatra bekam dann die Rolle über die Vermittlung von Ava Gardner. Böse Zungen behaupteten damals, er hätte die Rolle auf Druck der Mafia bekommen. Das konnte allerdings nie bewiesen werden. Er hat die Rolle dann für eine sehr kleine Gage von 8000 Dollar gespielt und einen Oscar für die beste Nebenrolle bekommen. Über diesen Film bekam er auch wieder Plattenverträge und weitere Filmrollen.

Ist es richtig, dass Sinatra bei der Auswahl seiner Filme weniger treffsicher war als bei seiner Song-Auswahl?

Er hat ungefähr 60 Filme gedreht. Er hat zwar zwei sehr gute Filme gemacht, den Oscar-gekrönten "Verdammt in alle Ewigkeit" und "Der Mann mit dem goldenen Arm", der immerhin für den Oscar nominiert war. Dann hat er zwei bis drei sehr gute Unterhaltungsfilme gedreht - darunter "High Society" mit Grace Kelly, Bing Crosby und Louis Armstrong. Der Rest allerdings waren eher sehr schlichte Unterhaltungsfilme.

Sinatra und die Politik

Frank Sinatra sagt man auch eine große Nähe zur Politik nach. Mit John F. Kennedy soll er sogar befreundet gewesen sein?

Frank Sinatra war in der Tat mehr als ein Sänger, Entertainer und Filmschauspieler. Er hat in der amerikanischen Gesellschaft eine große Rolle gespielt. Er hatte eine Nähe zu den Demokraten und später auch zu den Republikanern. Die Nähe zur Mafia wurde ihm nachgesagt - und die gab es auch tatsächlich. Allerdings muss man sagen, Frank Sinatra wurde wiederholt überprüft. Denn Robert Kennedy, damals Justizminister unter seinem Bruder, dem Präsidenten John F. Kennedy, hatte sich den Kampf gegen das organisierte Verbrechen auf die Fahnen geschrieben. Das hat auch zu einem Bruch zwischen Sinatra und Präsident Kennedy geführt. Letztlich konnte ihm nie etwas Kriminelles nachgewiesen werden.

Auch zu Ronald Reagan und zur First Lady Nancy soll Sinatra eine enge Beziehung geführt haben…

Diese Nähe brachte ihm 1985 vom republikanischen Präsident Ronald Reagan die höchste Auszeichnung ein, die ein US-amerikanischer Präsident vergeben kann: die "Presidential Medal Of Freedom". Das war so etwas, wie ein Leumundszeugnis von höchster Stelle.

Der etwas andere Familienmensch

Wie wichtig war Sinatra seine Familie?

Er war sicher ein Familienvater, der die Beziehung zu seinen drei Kindern sehr schätzte. Er war viermal verheiratet: Mit Nancy Barbato, dann mit seiner großen Liebe Ava Gardner - das war eine sehr erotische Beziehung mit Eifersuchtsdramen-, dann mit Mia Farrow und zuletzt mit Barbara Marx. Diese Ehe hat bis an sein Lebensende am 14. Mai 1998 gehalten.

Johannes Kunz, Autor des Buches "Frank Sinatra und seine Zeit", das jetzt im Verlag LangenMüller erschienen ist, war von 1973 bis 1980 Pressesprecher des österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Später war er mehrere Jahre Fernseh-Informationsintendant des ORF. Er veranstaltete zahlreiche Konzerte und leitete den renommierten Salzburger Jazz-Herbst. Johannes Kunz ist Autor und Herausgeber von über 30 Büchern und gestaltete viele Radio- und TV-Sendungen.

Porträt Johannes Kunz (Foto: Privat)
Johannes KunzBild: privat
Buchcover Frank Sinatra und seine Zeit von Johannes Kunz (Foto: LangenMüller)
Ein Blick auf die Zeit von Frank Sinatra wirft Autor Johannes Kunz in seinem neuen BuchBild: LangenMüller