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Deutsch-chinesischer Menschenrechtsdialog

28. Juni 2011

Die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen werden dominiert von Fragen der Wirtschaft. Dagegen stemmen sich Bürgerrechtsaktivisten. Sie wollen nicht, dass Menschenrechtsfragen unter den Tisch fallen.

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Verkleidete Aktivisten: Festtafel mit Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Wen Jiabao vor dem Brandenburger Tor (Foto: DW/Richard Fuchs)
Verkleidete Aktivisten vor dem Brandenburger Tor in BerlinBild: DW
Festtafel vor dem Brandenburger Tor (Foto: DW/Richard Fuchs)
Hinter Masken: Menschenrechtsaktivisten auf ihrem alternativen StaatsbankettBild: DW

Für Montagabend (27.06.2011) bekam der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao zwei Einladungen. Eine höchst offizielle von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihren Staatsgast in die einstige Villa eines Malers zum Staatsbankett lud.

Und dann war da noch eine zweite Einladung herein geflattert, von der der chinesische Staatsgast und seine Delegation wohl gar nichts erfuhr, die er aber wohl auch nie angenommen hätte. Mitten in Berlins historischem Zentrum, auf dem symbolträchtigen Platz vor dem Brandenburger Tor, haben Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International Deutschland und die Internationale Kampagne für Tibet zu einem zweiten, alternativen Staatsbankett eingeladen.

Alternatives Staatsbankett von Menschenrechtsaktivisten

Gekommen waren zahlreiche Medienvertreter und einige Dutzend Menschenrechtsaktivisten sowie Darsteller mit Masken der Spitzenpolitiker Merkel und ihres chinesischen Gasts. Hier sollte all das zur Sprache kommen, was wohl in den offiziellen Beratungen unter den Tisch falle, erläuterte Frédéric Krumbein von Amnesty International den Auftrag des alternativen Banketts: "Amnesty International ist besorgt über tausende Hinrichtungen jedes Jahr, wir sind besorgt über Folter und Misshandlung in Gefängnissen und Arbeitslagern. Und wir sind besorgt über Internet- und Pressezensur, über die Verfolgung von unabhängigen Religionsgemeinschaften und über eine parteiische und korrupte Justiz." Die Lage der Menschenrechte sei prekär, eine Schönwetter-Politik gegenüber Chinas daher unangebracht.

Ai Weiwei-Plakat und Aktivistin (Foto: DW/Richard Fuchs)
Sein Schicksal bewegt: Aktivistin mit Plakat des chinesischen Künstlers und Regime-Kritikers Ai WeiweiBild: DW

Die werde es auch nicht geben, kündigte der liberale Außenminister Guido Westerwelle kurz vor Beginn der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen im deutschen Fernsehen an. "Die Intensität unserer Beziehungen ist mittlerweile so tief und so tragfähig, dass auch Meinungsunterschiede ausgetragen werden können", so Westerwelle.

Meinungsverschiedenheiten gebe es genug, sagt Kai Müller von der Internationalen Kampagne für Tibet. Denn der bilaterale Menschenrechtsdialog zwischen Deutschland und China stocke und im so genannten Weißbuch der deutsch-chinesischen Beziehungen finde sich gerade einmal ein Halbsatz zu Menschenrechten. Zudem zeigten die wiederholten Repressionen gegen chinesische Regime-Kritiker wie den Künstler Ai Weiwei, den Bürgerrechtler Hu Jia und den inhaftierten Dissidenten Lui Xiaobo ein anderes Gesicht Chinas als das, was gerne auf Wirtschafts-Hochglanzbroschüren transportiert werde.

Tibeter, Uiguren und Mongolen nicht vergessen

Aktivisten mit Plakaten zur Unterstützung von Tibetern, Uiguren und Mongolen (Foto: DW/Richard Fuchs)
Tibeter, Uiguren und Mongolen nicht vergessen!Bild: DW

"China wird gebraucht, genauso wie Deutschland als wichtigster Handelspartner in der EU von China gebraucht wird. Aber sollen die Tibeter, die Uiguren und Mongolen und viele andere zum Kollateralschaden des Aufstiegs Chinas werden?", stellt der Tibet-Aktivist Kai Müller dem Publikum eine rhetorische Frage. Diese Volksgruppen werden in China benachteiligt. Und Demonstrant Marco Hintze drängt darauf, dass schon während der derzeitigen Regierungskonsultationen mehr Druck aufgebaut werde. "Ich denke, Deutschland könnte eine Rolle spielen und nimmt diese Rolle nicht wahr", sagt Hintze, und macht dafür vor allem die Politik der Anbiederung an die Wirtschaftsgroßmacht China verantwortlich. "Deutschland hat Angst, nicht vorne mit dabei zu sein, auf den Märkten nicht präsent zu sein. Und da spielen Menschenrechte immer erst die dritte, vierte, wenn überhaupt eine Rolle", meint Hintze.

Außenminister Westerwelle attestierte China hingegen, es habe neben zahlreichen Rückschritten in der jüngeren Zeit auch einige Verbesserungen bei der Lage der Menschenrechte gegeben. "Man muss aber auch anerkennen, dass Dinge besser geworden sind", sagte er mit Verweis auf längerfristige Analysen. Das wurde von den Menschenrechtsaktivisten am alternativen Staatsbankett zur Kenntnis genommen. Allerdings verwiesen die darauf, dass am Ende mehr auf den Tisch gehöre als nur schöne Worte. Sonst werde es auch bei den nächsten Regierungskonsultationen wieder eine zweite Einladung geben.

Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Klaudia Prevezanos