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Theresa May kommt nach Berlin

Kay-Alexander Scholz, Berlin20. Juli 2016

Es ist ihre erste Auslandsreise: Eine Woche nach der Ernennung zur britischen Premierministerin kommt Theresa May zu einem Antrittsbesuch zu Angela Merkel ins Kanzleramt. Und das politische Berlin ist hocherfreut.

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Theresa May und Angela Merkel / Bildkombo (Fotos: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/A.Rain

Wenn sich an diesem Mittwoch im Kanzleramt Kameras, Fotoapparate und Smartphones auf Theresa May richten, werden wohl ganz viele zuerst nach unten schwenken - auf ihre Schuhe. In deutschen Medien ist seit dem Amtsantritt der neuen britischen Premierministerin in der vergangenen Woche ausgiebig über die extravagante Schuhmode Mays gesprochen worden. Dieser bunte Tupfer tat den Deutschen angesichts der tristen grau-schwarzen politischen Großwetterlage anscheinend ganz gut - zumindest war viel Bewunderung über die Leoparden-Pumps und Nieten-High-Heals zu lesen. Mit welchen Schuhen May in Berlin auftritt, wird also sicher von hohem Interesse sein - tatsächlich und im übertragenen Sinne.

Unklarheit für Scheidungstermin

Doch egal welche Schuhe es auch werden, sowohl Theresa May als auch Angela Merkel stehen beide fest auf dem Boden der realpolitischen Umstände. "Brexit ist Brexit", ließ May nach dem Referendum Ende Juni verbreiten. Sie holte passend dazu mit Boris Johnson einen der großen Befürworter des Ausstiegs in ihr Kabinett und ernannte einen EU-Kritiker zum Brexit-Koordinator. Rütteln will May am Referendum nicht mehr. Die Frage ist nur, wann die Scheidung eingereicht wird. Zuletzt hieß es aus London, das werde noch bis 2017 dauern. Die Briten wollen sich Zeit verschaffen, erst eine Verhandlungsstrategie vereinbaren und danach dann den Exit auf scharf stellen.

Bundeskanzleramt (Foto: Peer Grimm)
Der Treffpunkt: Das BundeskanzleramtBild: picture alliance / ZB

Merkel wiederum machte in einer Regierungserklärung im Bundestag klar, dass es keine Rosinenpickerei bei den Austrittsverhandlungen geben dürfe und diese erst nach Einsetzen des entsprechenden Artikels 50, dem EU-Scheidungsparagrafen, beginnen dürften. Mit dieser Ansage nahm Merkel - entgegen manch anders lautender Reaktionen aus der EU - etwas Tempo aus dem Prozess. Gleichzeitig markierte sie ihren Anspruch auf Verhandlungsmacht.

Zusammenarbeit beim Brexit

Offiziell verkündet wurde der Antrittsbesuch Mays und Details zum Ablauf zu Beginn der Woche. Die Premierministerin wird gegen 17:30 Uhr Ortszeit mit militärischen Ehren empfangen. Folgen sollen ein Gespräch und ein Arbeitsabendessen mit Merkel. Eine gemeinsame Pressekonferenz ist geplant. Bisher hätten sich Merkel und May nur telefonisch kennengelernt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Nun solle es die Chance geben, "etwas ausführlicher miteinander zu sprechen". Merkel werde dabei die deutsche Position vortragen. Gleichzeitig, so Seibert, würden in dem Gespräch noch keine Vorverhandlungen geführt. Die Kanzlerin sei aber gespannt, was "May ihrerseits aus London mitbringt".

Ergänzende Informationen über das Treffen waren aus britischen Medien zu erfahren. Auf der Tagesordnung stünden, so eine Sprecherin Mays, bilaterale Themen, die Kooperation bei globalen Herausforderungen und die Frage, wie beide Länder bei der Vorbereitung des Brexit zusammenarbeiten könnten. In London wird in diesem Punkt also schon von einer zukünftigen Zusammenarbeit gesprochen.

Bekannt als Hardlinerin

Potenzielles Konfliktfeld zwischen May und Merkel dürfte die Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit sein. May gilt als Hardlinerin in der Migrationspolitik. Sie will Immigration aus den EU-Staaten verringern, was sie in den vergangenen sechs Jahren als Innenministerin deutlich gezeigt hat. Merkel ist bei diesem Punkt, schließlich ein Grundpfeiler der EU, eher kompromisslos. Auch die Schweiz und Norwegen, Nicht-Mitglieder der EU, mussten unter anderem bei der Freizügigkeit Zugeständnisse machen, um Zugang zum EU-Binnenmarkt zu bekommen.

Auf einem anderen Gebiet hat May bereits angekündigt, sich an Deutschland ein Vorbild nehmen zu wollen. So sollen zukünftig auch in Großbritannien Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten sitzen.

In den deutschen Medien und im politischen Berlin wird darüber spekuliert, dass sich May und Merkel ganz gut verstehen könnten. Sie sind beide um die 60 Jahre alt und stammen aus einem religiös geprägten Elternhaus. Beide haben ein naturwissenschaftliches Studium absolviert und gelten als pragmatische Politikerinnen. Ob tatsächlich ein persönlicher Funke zwischen ihnen überspringen wird - die Pressekonferenz wird einen ersten Hinweis darauf geben.

Nach der Visite in Berlin reist May weiter nach Frankreich, wo sie am Donnerstag Präsident Francois Hollande treffen wird.