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Willemeit: Mauern überwinden ist möglich

24. August 2017

Details wollen die Kuratoren des Deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale noch nicht verraten. Warum ihre Schau zum Thema Mauer spannend werden könnte, erzählt Thomas Willemeit im DW-Interview.

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Blick auf den Deutschen Pavillon bei der Architekturbiennale 2016 in Venedig
Bild: DW/S. Dege

Vor 28 Jahren Jahren fiel die Berliner Mauer. 28 Jahre hatte sie gestanden. 28 Jahre davor kamen die Nazis an die Macht. Diese "Zeitengleiche" hat das Kuratorenteam um den Architekten Thomas Willemeit für eine Ausstellung im Deutschen Pavillon auf der Architekturbienneale 2018 in Venedig inspiriert. Titel der geplanten Schau: "Unbuilding Walls". Programmatisches Aushängeschild der Präsentation ist schon jetzt die ehemalige, aus der DDR stammende Grünen-Politikerin Marianne Birthler.

Deutsche Welle: Freuen Sie sich auf Venedig?

Thomas Willemeit: Sehr. Dieses Mal umso mehr, weil wir mit einer großartigen Aufgabe betraut sind.

Ist dies die Zeit, neue Mauern zu errichten?

Thomas Willemeit
Architekt Thomas WillemeitBild: Graft

Wir haben in Deutschland erlebt, was es bedeutet, Mauern zu haben, die ein Land und viele Familien teilen. Wir haben bittere Erfahrungen, aber auch sehr glückliche Erfahrungen damit, solche Mauern zu überwinden. Wir schauen auf 28 Jahre zurück, auf einen langen Prozess, Berlin und das Land zusammenzufügen, auch auf städtebaulicher und architektonischer Ebene. Davon kann man eine Menge lernen, überall in der Welt.

Seit 28 Jahren gibt es die Mauer nicht mehr. Alle sind froh. Aber Sie erinnern daran?

Kuratoren "schockiert" über Wandel der Zeiten

Fast schockiert haben wir festgestellt, dass die Mauer jetzt genau so lange weg ist, wie sie stand. Fast jeder reagiert ähnlich: 'Was, ist das schon so lange her? Ich dachte, die Mauer hätte viel länger gestanden.' Das zeigt, was in 28 Jahren alles passieren kann und wie sehr sich die Zeiten ändern können.

Bedauern Sie das?

Nein, es geht nicht um Kritik, sondern um eine Bestandsaufnahme. Was ist in den letzten 28 Jahren passiert, und was kann man daraus lernen? Erinnerung verändert sich sehr, sehr langsam. Und man braucht immer lange, um auf die eigene Geschichte mit einer gewissen objektiven Wahrnehmung zurückzuschauen. Das werden wir jetzt probieren.

"Unbuilding Walls" verweist auf das, was bleibt, wenn die Mauern verschwinden?

Auch, aber mehr noch verweist es auf die Möglichkeiten, die Chancen und Hoffnungen, die sich damit verbinden, dass es in diesem Land  möglich war, eine Mauer einzureißen. Während man andernorts weltweit große Hoffnungslosigkeit spürt.

Sie kamen sieben Jahre nach dem Mauerbau zur Welt,1961. Und trotzdem teilen Sie die Hoffnung auf eine neue Welt nach dem Niederreißen der Mauer?

Blick in den Deutschen Pavillon auf der 15. Architektur-Biennale 2016
Der deutsche Pavillon vor zwei Jahren: Mauerdurchbrüche passend zum Thema Bauen für FlüchtlingeBild: picture-alliance/dpa/DAM/Kirsten Bucher

Auf jeden Fall! Das ist die große Chance, vielleicht auch die Verantwortung, die Deutschland hat – nämlich die Botschaft in die Welt zu tragen, dass Mauern temporär sind und überwunden werden können.

Was hat speziell der deutsche Pavillon mit Mauern zu tun? Er ist ein Nazi-Bau….

Naja, zunächst mal hat uns diese Zeitengleiche interessiert – zweimal 28 Jahre. Irgendwann fiel uns dann auf: Rechnet man noch einmal 28 Jahre zurück, landet man bei 1933 (Jahr der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, Anm.d.Red.) Auch eine interessante Zeitengleichheit - die uns verdeutlicht, wie schnell sich doch Geschichte verändern kann.

Geheimniskrämierei über geplante Aussstellung

Bei der letzten Architekturbiennale haben wir eine Ausstellung über das Bauen für Flüchtlinge gesehen. Womit werden Sie diesen Bau füllen?

Das wird noch nicht verraten…

Letztes Mal wurde der deutsche Pavillon mit riesigen Mauerdurchbrüchen geöffnet. Deutschland als mauerlose Durchgangsstation für Geflüchtete– so die Botschaft. Was ist Ihre Botschaft?

Das müssen wir leider noch unter Verschluss halten. Es soll ja einen schönen Überraschungseffekt geben, wenn wir die Ausstellung eröffnen. Nur so viel: Wenn wir mit unserem Büro Graft beteiligt sind, wird es nicht nur um Ausstellungsinhalte gehen, sondern mit Sicherheit auch um eine interessante Rauminszenierung innerhalb des Pavillons.

Worum kreist Ihre Idee?

Es geht darum, das eigene Nachdenken anzuregen. Wir sind mit Marianne Birthler ins Rennen gegangen, um zu zeigen, wo die physischen Mauern und die unsichtbaren Mauern in den Köpfen der Menschen verlaufen, und was Gesellschaften voneinander trennt. Das auszuloten, das wird Kern der Ausstellung sein. Wie genau das aussieht, können wir jetzt noch nicht sagen.

Ist Marianne Birthler Ihr politisches Aushängeschild?

Sie bereichert unsere Diskussion, zumal als jemand, die zur Zeit des Mauerfalls politisch aktiv beteiligt war, viele Hintergründe, die intensiven Diskussionen, aber auch die Risiken und Gefahren aus dieser Zeit sehr genau kennt. Für uns ist sie eine Art Rückversicherung, eine helfende Leitplanke. Denn es gibt bei einer solchen Ausstellung auch viele Fettnäpfchen, in die man treten kann.

Zum Beispiel?

Kuratoren des Deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale 2018
Die Kuratoren des Deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale 2018: Lars Krückeberg, Wolfram Putz, Marianne Birthler und Thomas Willemeit.Bild: obs/GRAFT

Indem man sich etwa auf eine Seite stellt. Oder vorschnell Urteile fällt. Vielleicht zu oberflächlich agiert. Aber es kommt schon darauf an, dass man ausgewogen die Realität darstellt.

Wie kann man Zeitgleichheit in eine Ausstellung fassen?

Als Architekten schauen wir auf Berlin: Was ist passiert durch die Teilung? Wie hat sich die Stadt damit auseinandergesetzt, dass sie die Grenze akzeptieren musste? Wie hat sich die Stadtplanung entwickelt? Wie wurde während der Teilung über eine gemeinsame Zukunft diskutiert? Wie sind diese Visionen dann von der Realität überrollt worden? Wie hat sich Erinnerung entwickelt? Wie hat man versucht, die Mauer aus dem Gedächtnis zu löschen? Woher kommt das Phänomen, dass man jetzt wieder nach den Resten der Mauer sucht, sich erinnern möchte? Das darzustellen, stadträumlich und anhand architektonischer Projekte, das wird Kern der Ausstellung sein.

Welche Träume gibt es heute zu dieser Stadt? Wie war Berlin in der Lage, seine Teilung zu überwinden? Darauf ist die Welt neugierig. Das zu zeigen, wird spannend

 

Der Architekt Thomas Willemeit ist Mitbegründer des Berliner Architektenbüros GRAFT. Gemeinsam mit seinen Kollegen Wolfram Putz und Lars Krückeberg und mit der ehemaligen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler wird Willemeit die Ausstellung im Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale 2018 in Venedig kuratieren. Titel der Schau: "Unbuilding Walls".

Mit Thomas Willemeit sprach Stefan Dege.