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Thriller schreiben als Therapie

25. Dezember 2010

Sebastian Fitzek ist ein Meister des deutschen Psychothrillers. Grausam ist seine Welt allerdings nur auf dem Papier. Im wirklichen Leben ist er ein humorvoller Mann, was er bei seinen Lesungen unter Beweis stellt.

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Symbolbild Mord Umriss Mann auf der Straße (Foto: Bilderbox).
Bild: BilderBox

Sportlich nimmt Sebastian Fitzek die wenigen Stufen zum Podium und schnappt sich das schnurlose Mikrofon. "Wer sieht mich heute zum allerersten Mal? Oh!" Fast alle der 180 anwesenden Fitzek-Fans in der Berliner Buchhandlung SoSch heben die Hand. Und fast alle von ihnen sind Frauen. "Je grausamer, desto Frau" wird Sebastian Fitzek später dieses Phänomen nennen.

Jetzt am Anfang seiner Lesung, wickelt er seine Zuhörerinnen gekonnt und pointiert um den Finger. "Na, da hoffe ich ja, dass Sie mein Aussehen nicht irritiert. Ich habe nämlich einmal eine Email von einer Leserin bekommen, die enttäuscht war, als sie ein Foto von mir auf meiner Homepage gesehen hat." Der nette, harmlose Mann hätte nicht zu ihrem Bild von einem Thriller-Schriftsteller gepasst. "Ich nehme das ja mittlerweile als Kompliment. Wer will schon gesagt bekommen: Mensch, wie Du aussiehst, kannst Du nur Psychothriller schreiben."

Porträt Sebastian Fitzek
Sieht so einer aus, der in seinen Büchern metzelt und mordet?Bild: Lucia Fuster

Das Publikum lacht auf. Mit seiner authentischen Art hat der Autor die Leser an dem heutigen Abend ganz auf seiner Seite. Sebastian Fitzek trägt dunkelblaue Jeans, schwarze Schuhe, schwarzes Hemd und kurze, schwarze, nach oben gegelte Haare. Fitzek ist 39 Jahre alt, sieht aber jünger, fast schon jugendlich. Und in der Tat nicht wie jemand, der in menschlichen Abgründen wühlt. Auf die Frage, warum er es dennoch gerne tut, hat er eine wohlüberlegte Gegenfrage parat: "Wie sieht denn Ihre Macke aus, dass Sie mir dafür Geld geben und meine Bücher lesen?"

Mit Wohlfühlfaktor zum Psychothriller

Um sich in die richtige Schreibstimmung zu versetzen, umgibt sich Fitzek mit einem Wohlfühl-Ambiete. "Je größer die Diskrepanz, desto abgründiger kann ich schreiben. Ich habe meinen Schreibtisch beispielsweise in meinen Wintergarten gewuchtet, um eine schöne Aussicht zu haben, weil ich gemerkt habe: Je schöner die Aussicht, desto grausamer kann ich die Dinge formulieren."

Fitzek schreibt über einen Massenmörder, der seinen Kinderleichen Augen rausschneidet, wie in "Der Augensammler". In "Amokspiel" schreibt er von einem Psychopathen, der die Mitarbeiter eines Radiosenders in Geiselhaft nimmt und tötet. Oder von einer eingeschneiten, von der Außenwelt abgeschnittenen Psychiatrischen Klinik, in welcher ein Mörder die Patienten und Ärzte in Schrecken versetzt, wie in "Der Seelenbrecher". Die Kapitel seiner Romane sind kurz, pointiert und enden meist mit einem Cliffhänger, so dass der Leser quasi weiterlesen muss.

Buchcover des Romans Der Augensammler

Fitzek-Fans geben daher ihre Lesezeit auch nicht in Tagen oder Wochen an, sondern in Stunden. Wie er zu seinen Stoffen kommt, daraus macht er kein Geheimnis: "Es sind die Menschen in meinem näheren Umfeld. Allen voran meine Exfreundin - die hat mich zu zahlreichen Psychothrillern inspiriert", sagt Fitzek scherzhaft und fügt gleich hinzu, dass die beiden heute gut befreundet sind und er von ihr die Erlaubnis hat, über seine Inspirationsquelle zu sprechen.

Mit einer Frage fängt alles an

So verrät er, dass er seine erste Thriller-Idee hatte, als er mit besagter Exfreundin beim Arzt war und stundenlang auf sie wartete. "Und da dachte ich mir: Was wäre wenn? Mit so einer 'Was wäre wenn'-Frage fängt ja alles an. Was wäre, wenn ich mit den anderen Wartenden ins Gespräch komme und die sagen: Sie warten da noch auf jemanden? Was wäre, wenn meine Freundin, nie wieder aus dem Behandlungszimmer rauskäme?" Diese Überlegungen flossen tatsächlich in seinen ersten Roman "Die Therapie" ein, wie er auf seiner Lesung erzählt, die im Übrigen nur zu einem kleinen Teil aus einer klassischen Lesung besteht.

der Autor Sebastian Fitzek mit seinem Hund
Je größer die Diskrepanz,desto abgründiger die BücherBild: Volkmar Otto

Die meiste Zeit über erzählt er Geschichten, die im Gegensatz zu seinen Büchern sehr humorvoll sind, und bei denen er durchaus auch ein gewisses Talent für Stand-Up-Comedy beweist. Dennoch hat er sich entschieden, Thriller und keine Komödien zu schreiben. "Warum nehmen wir zur Unterhaltung eigentlich Bücher, in denen gemetzelt, gemordet und gefoltert wird? Meine Theorie, die auch von einigen Psychologen bestätigt wurde, ist, dass die Bücher so eine Art Blitzableiter sind."

Der Leser konfrontiere sich in einem Thriller mit seinen Ängsten, kann aber anschließend das Buch zuklappen und ins Regal stellen. "Und meine Form der Therapie ist das Schreiben. Damit verarbeite ich meine Ängste." Die sind mit der Geburt seines ersten Kindes vor einigen Monaten und der neuen Rolle als Vater übrigens größer geworden als jemals zuvor, sagt er. Seine Fans können also sicher sein: Sebastian Fitzek werden die Ideen für neue Bücher nicht so schnell ausgehen.

Autorin: Nadine Wojcik
Redaktion: Gabriela Schaaf


Sebastian Fitzek: "Der Augensammler". Droemer Verlag München; 448 S. 16,95 €