1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

''Tiefe Zerrissenheit der Israelis''

Zusammengestellt von Thomas Latschan11. Februar 2009

Das Wahlergebnis in Israel lässt viel Platz für Spekulationen, wie es denn jetzt in der Knesset und mit dem Nahost-Friedensprozess weitergehen wird - auch in der israelischen und internationalen Presse.

https://p.dw.com/p/GrgP
Bild: DW

Die US-amerikanische Washington Post sieht in Israels Wahlergebnis auch einen großen Dämpfer für Präsident Obama, und das unabhängig davon, wer in Israel letztendlich die Regierungsverantwortung übernimmt:

Nahost Wahlen Tzipi Livni Isreael Wahlkampfveranstaltung der Kadima
Zipi Livni beansprucht das Recht auf Regierungsbildung für sichBild: AP

„Selbst wenn es Zipi Livni schaffen sollte, nach wochenlangen Verhandlungen eine Koalition zusammenzuschustern, gehen viele Experten davon aus, dass ihre Koalitionspartner sie politisch lähmen werden. (…) Die tiefe Zerrissenheit der Israelis bei den Wahlen ist ein genaues Spiegelbild des Risses, der auch durch die Palästinenserregierung geht. Die Gesellschaften in Israel und Palästina sind so gespalten, und sie besitzen so schwache politische Führer, dass keine von beiden Seiten den Willen für einen Frieden aufbringen wird.“

Die französische Zeitung „Liberation“ macht sich vor allem Sorgen um das deutlich erstarkte rechte Lager:

"Es gab praktisch keinen Wahlkampf, alles wurde vom Militäreinsatz in Gaza beherrscht. (...) Wie sollen wir uns unter solchen Umständen über den Aufstieg des Ultranationalisten Lieberman wundern? (...) Noch vor kurzem war er kaum salonfähig und nun sieht Lieberman sich schon bei der Ernennung eines Ministerpräsidenten in der Rolle des Königsmachers. Eine Aussicht, die uns erschauern lässt."

Und dies ist darüber hinaus auch eine Aussicht, die laut Süddeutscher Zeitung vor allem der radikalislamischen Hamas in die Hände spielt:

Abbas am Boden?
Erstarken jetzt auch bei den Palästinensern die Radikalen?Bild: AP

„Eine Premierministerin Livni könnte Hamas gefährlich werden, ein Premierminister Netanjahu dagegen nicht. Israelische Militäroperationen sind das Lebenselixier von Hamas. Die Terrorgruppe braucht sie, um ihren gewaltsamen Kampf gegen Israel vor den eigenen Landsleuten zu rechtfertigen. Gefährlich werden könnte es für Hamas nur, wenn sie in einen diplomatischen Prozess eingebunden würde oder Livnis beabsichtigte Friedensgespräche ihr den Boden unter den Füßen entzögen.“

Israels liberale Tageszeitung Ha’aretz sieht daher die einzige praktikable Lösung zur Verhinderung einer rechtsgerichteten Regierung darin, dass Tzipi Livnis Kadima und die Arbeitspartei von Ehud Barak wieder eine gemeinsame Fraktion bilden:

Combo Bildkombo Tzipi Livni oder Zipi Liwni (l) und Ehud Barak Quelle: AP; Montage: DW
Bilden Zipi Livni und Ehud Barak etwa eine gemeinsame Fraktion?Bild: AP/DW

„Ein solcher Zusammenschluss macht gleich mehrfach Sinn: Es gäbe einen gemäßigten Block mit 40 Sitzen, der egal bei welcher Koalition die zentrale Achse stellen würde. Und er würde dem zur Zeit so zerstückelten israelischen Parteiensystem insgesamt wieder mehr Stabilität verleihen. Ein Zusammenschluss würde den rechten Flügel davon abhalten, die Siedlungen weiter auszubauen, eine Konfrontation mit den USA verhindern und den rassistischen Ideen Avigdor Liebermans einen Riegel vorsetzen.“

Und arabische Zeitungen sahen die Wahl in Israel von vornherein skeptisch: Die panarabische Tageszeitung Asharq Al-Awsat etwa zieht eine eher düstere Bilanz:

„Bei der Wahl gab es eh nur die Entscheidung zwischen der Rechten, deren Kandidatin Tzipi Livni ist, der extremen Rechten um Benjamin Netanjahu und sogar noch extremistischeren Kandidaten. Der Friedensprozess hatte bei dieser Wahl sowieso kaum eine Chance.“