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Tiefensee unter Druck

1. November 2008

Die Bonuszahlungen an den Bahn-Vorstand machen Minister Tiefensee zunehmend zu schaffen. Erste Rücktrittsforderungen aus der CDU/CSU drohen in einen Koalitionskrach zu münden.

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Hat derzeit nicht viel zu lachen: Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (dpa)
Hat derzeit nicht viel zu lachen: Bundesverkehrsminister Wolfgang TiefenseeBild: AP

"Es wird Zeit, dass er selbst für die schweren Fehler in seinem Ministerium Verantwortung übernimmt" - "Tiefensee dürfte nicht nur seinen Staatssekretär feuern, er müsste gleich selber gehen; der Minister ist beim Lügen erwischt worden" - so die ersten Stimmen aus dem Koalitionslager von CDU und CSU am Samstag (01.11.2008).

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, sprach im Magazin "Focus" von einem "Fall Tiefensee", der zunehmend zu einer Belastung für die Koalition werde. Er verlangte "rückhaltlose Aufklärung" über die Kommunikationswege im Ministerium des SPD-Politikers. Die Grünen, die FDP und die Linke hatten bereits am Freitag den Rücktritt des Ministers gefordert.

Drohender Koalitionskrach: Hans-Peter Friedrich, Vize-Fraktionschef CDU/CSU, spricht von einem "Fall Tiefensee" (dpa)
Drohender Koalitionskrach: Hans-Peter Friedrich, Vize-Fraktionschef CDU/CSU, spricht von einem "Fall Tiefensee"Bild: Hans-Peter Friedrich

Die SPD-Bundestagsfraktion stellte sich vor ihren Minister. Vize-Fraktionschef Klaas Hübner wies die Schuld Tiefensees Staatssekretär Manfred von Randow zu.

Mitte der Woche wurde öffentlich bekannt, dass dieser im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn im Juni seine Zustimmung zu Bonuszahlungen an die Vorstandsmitglieder gegeben hatte. Die Konzernspitze um Bahnchef Hartmut Mehdorn sollte die Prämien in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro nach einem erfolgreichen Börsengang des Unternehmens bekommen. Der für den 27. Oktober geplante Börsengang wurde wegen der weltweiten Finanzkrise auf unbestimmte Zeit verschoben.

Nach Medienberichten hätten die Bahn-Vorstandsmitglieder gestaffelte Bonus-Sonderzahlungen, abhängig von ihrer Position und dem Erlös des Börsengangs, erhalten sollen. So sollte etwa Mehdorn bei einem Verkaufserlös von 3,5 Milliarden Euro einen Bonus von 150.000 Euro erhalten. Für weiteren Unmut sorgte zudem, dass die Managergehälter des Vorstands im kommenden Jahr teilweise über 20 Prozent steigen sollten.

Tiefensee geht in die Offensive

Der Minister ging nach Bekanntwerden der Berichte in die Offensive. Am Mittwoch entließ er zunächst seinen Staatssekretär von Randow. Am Samstag forderte er den Bahn-Vorstand in der "Bild"-Zeitung erneut auf: "Verzichten Sie auf den Bonus. Einvernehmen ist immer die beste Lösung".

Er steht wieder in der Kritik: Bahnchef Mehdorn, hier bei der Bilanzpressekonferenz Ende März.
Er steht wieder in der Kritik: Bahnchef Mehdorn, hier bei der Bilanzpressekonferenz Ende März.Bild: AP

Bei sich selbst sieht Tiefensee weiter kein Verschulden. Er könne die Zahlungen nicht rückgängig machen. "Ich kann das nicht anordnen. Das Aktienrecht verbietet das", so der Minister in der "Bild". Auch habe er erst im September, und "damit viel zu spät" von den Zahlungen erfahren.

Am Freitag hatte der Sprecher des Verkehrsministeriums, Rainer Lingenthal, in der Bundespressekonferenz in Berlin bekräftigt, von Randow sei der Schuldige. Dieser habe den Minister vor der Entscheidung im Bahn-Aufsichtsrat nicht mit einbezogen. Hätte er das getan, hätte die Entscheidung so nicht fallen können. Nicht aufklären konnte Lingenthal den Widerspruch, warum das Ministerium bisher immer angegeben habe, Tiefensee habe erst ein bis zwei Wochen vor dem geplanten Börsengang von den Bonus-Zahlungen erfahren. Und nun sei er doch schon seit September informiert gewesen.

Und warum, so die Frage von Journalisten, habe der Minister dann nicht die Schlussfolgerungen aus dem rechtzeitig vorliegenden Prospekt für den Börsengang gezogen, der Angaben zu den Prämien enthielt? Die Antwort des Tiefensee-Sprechers: Dieser Prospekt, den Finanzminister Peer Steinbrück genehmigt habe, sei dem Verkehrsminister damals nicht vorgelegt worden. Es habe sich für ihn nicht um "Entscheidungsvorgänge" gehalten.

Die R-Frage

Die Bundesregierung steht trotz aller Rücktrittsforderungen zu ihrem Minister. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte am Freitag, dass Tiefensee "das Vertrauen der Bundeskanzlerin" genieße. Außerdem verwies er darauf, dass sich die Gehälter der Bahn-Manager im Rahmen von "Unternehmen dieser Größenordnung" befänden.

Wenig Verständnis für Bonuszahlungen angesichts technischer Probleme (ap)
Pro-Bahn-Chef Naumann: Wenig Verständnis für Bonuszahlungen angesichts technischer ProblemeBild: Pro Bahn

Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte am Samstag auch den Vorstand der Deutschen Bahn heftig. "Dies zeigt einmal mehr, dass der Bahnvorstand überhaupt kein Gespür für die Dinge hat, die die Öffentlichkeit bewegen", sagte Verbandschef Karl-Peter Naumann der "Berliner Zeitung". So werde über Millionenzulagen diskutiert, obwohl derzeit viele Reisende wegen technischer Probleme bei der Bahn, etwa bei den ICE-Zügen, mit Schwierigkeiten zu kämpfen hätten.

Noch deutlichere Worte fand der Chef der Linksfraktion, Gregor Gysi. Dem Sender N24 sagte er: "Wenn ich es zu entscheiden hätte, würde ich sagen: Der ganze Vorstand der Deutschen Bahn geht jetzt. Und den Börsengang würde ich auch noch streichen. Und Tiefensee muss jetzt auch die Verantwortung übernehmen".

Kommenden Freitag (07.11.2008) soll der Minister im Verkehrsausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen. (hy)

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