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Timoschenko bricht mit ukrainischem Präsidenten Juschtschenko

9. September 2005

Nach der Entlassung der ukrainischen Regierung hat der neue ukrainische Übergangsregierungschef Juri Jechanurow Gespräche zur Regierungsbildung begonnen.

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Juri Jechanurow führt vorerst die GeschäfteBild: dpa - Bildfunk

Der neue Premier schritt unverzüglich zur Tat: Einen Tag nach der Entlassung der Regierung durch Präsident Viktor Juschtschenko begann Juri Jechanurow am Freitag (9.9.2005) Beratungen mit den Ex-Ministern und Parteiführern über einen Weg aus der Krise.

"Getrennte Wege"

Ukraine Julia Timoschenko sieht Viktor Juschtschenko im Fernsehen
Julia Timoschenko schaut dem Präsidenten im Fernsehen zuBild: AP

Seine Vorgängerin Julia Timoschenko verkündete am
Freitagabend offiziell den Bruch mit Präsident Viktor Juschtschenko. "Wir sind heute ohne Zweifel zwei verschiedene Mannschaften und beide Mannschaften werden ihren eigenen Weg verfolgen", sagte Timoschenko. "Jeder wird seinen eigenen Weg verfolgen, aber sicher ohne sich zu bekriegen", sagte Timoschenko im ukrainischen Fernsehen. Zugleich kritisierte sie ihre Entlassung scharf. Diese sei zutiefst ungerecht und geplant gewesen, sagte Timoschenko. Der Schritt sei seit ihrem Amtsantritt im Februar geplant gewesen. Dabei nahm sie jedoch Juschtschenko selbst in Schutz und machte dessen Umfeld für die angebliche Intrige verantwortlich.

Die populäre Timoschenko könnte eine starke Gegnerin für das Lager von Juschtschenko bei den Parlamentswahlen im kommenden März werden. Juschtschenko und Timoschenko waren die beiden Symbolfiguren der "orangenen" Revolution, in der im vergangenen Jahr das pro-westliche Lager um die beiden Politiker sich gegen die seit Jahren herrschende Führung um Ex-Präsident Leonid Kutschma durchsetzte. Timoschenko gilt als radikale Reformerin. Sie hatte sich unter anderem Feinde gemacht mit dem Plan, privatisierte Staatsunternehmen zurückzufordern und unter transparenteren Bedingungen erneut zu verkaufen.


Vertrauter des Präsidenten

Viktor Juschtschenko entlässt Regierung
Feuerte die Regierung: Viktor JuschtschekoBild: AP

Jechanurow, der nach dem Korruptionsskandal in der Ukraine kommissarisch die Regierungsgeschäfte übernommen hat, ist ein alter Vertrauter des Präsidenten und gilt als liberaler Reformer. Seine Loyalität zu Juschtschenko stellte der 57-jährige Wirtschaftswissenschaftler bereits in der Vergangenheit unter Beweis: Als der heutige Präsident zwischen 1999 und 2001 die Regierung der ehemaligen Sowjetrepublik führte, war Jechanurow dessen erster Stellvertreter. In dieser Zeit führte er auch die schwierigen Verhandlungen seines Landes mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Viele Ukrainer dürften Jechanurows Namen vor allem mit der Privatisierung von Staatsunternehmen Mitte der 1990er Jahre in Verbindung bringen. Als Vorsitzender des Fonds für Staatseigentum von 1994 bis 1997 war er für das Mammutprogramm verantwortlich.

Mode von Gestern für die Politik von Morgen
Ein berühmter Zopf: Julia TimoschenkoBild: AP

Als Juschtschenko Anfang dieses Jahres infolge der "orangefarbenen Revolution" den Präsidentenposten in der Ukraine einnahm, setzte er Jechanurow an die Spitze der Region Dnjepropetrowsk, einer Hochburg seiner politischen Gegner, deren Bewohner die neue Regierung immer noch mit Argwohn betrachten. Jechanurow beeilte sich noch am Donnerstag (8.9.2005) , Vertrauen bei der Bevölkerung zu erlangen. "Ich habe ein Ziel: Stabilität zu garantieren", sagte er kurz nach seiner Ernennung der Online-Ausgabe der Tageszeitung Ukrainska Prawda. Manch politischer Beobachter sieht in einer neuen Regierung allerdings nur ein formales Gebilde. "Juschtschenko wird alle Verantwortung übernehmen müssen", sagt etwa Wolodimir Polochalo, Chefredakteur der politischen Zeitschrift Polititscheskaja Misl.

"Das alte Team hat den Mannschaftsgeist verloren"

"Ich stelle dem neuen Team eine Herausforderung: als ein solches zu arbeiten ... Der Moment ist gekommen, weil das alte Team den Mannschaftsgeist verloren hat", hatte Juschtschenko erklärt. Neben den Korruptionsvorwürfen kämpfte die Regierung auch mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, steigender Inflation und ständigen Kurswechseln in der Politik. Neben dem Sekretär des Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrates Poroschenko waren auch Vize-Ministerpräsident Nikolai Tomenko und der Chef des Staatssicherheitsdienstes, Olexander Turchinow zurückgetreten. Ausgelöst wurde der Skandal von Stabschef Olexandr Sintschenko, der am Wochenende Korruptionsvorwürfe gegen führende Juschtschenko-Vertraute erhoben und sein Amt ebenfalls aufgegeben hatte.

Juschtschenko rief dazu auf, die politische Krise einzudämmen. "Wir müssen die Enttäuschung in der Gesellschaft stoppen und sicherstellen, dass die Ideale der orangefarbenen Revolution nicht in Zweifel gezogen werden." Er war mit dem Versprechen angetreten, der unter seinem Vorgänger Leonid Kutschma weit verbreiteten Korruption den Garaus zu machen. Die neuen Korruptionsvorwürfe bedrohten seine eigene politische Glaubwürdigkeit.

Die US-Regierung ist nach eigenen Angaben "nicht besonders besorgt" über die Entlassung der ukrainischen Regierung durch Präsident Viktor Juschtschenko. Der Vorgang sei Teil des Wachstumsprozesses junger Demokratien, sagte US- Außenamtssprecher Sean McCormack in Washington. (stu)