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Tirana will Lage für albanische Häftlinge verbessern

Arben Muka6. August 2006

Noch im vergangenen Jahr beklagte die Anti-Folter-Kommission des Europarates die Zustände in albanischen Gefängnissen. Inzwischen scheint sich die Situation zumindest langsam zu verbessern. Ein Besuch vor Ort.

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Insassen des Gefängnis 302 in TiranaBild: DW / Arben Muka

Im Gefängnis 302 in Tirana sitzen 240 Untersuchungshäftlinge ein. Die Anklagen reichen von Mord über Drogenhandel, Raub, Zuhälterei, Dokumentenfälschung bis hin zu Amtsmissbrauch und Körperverletzung durch Unfälle im Straßenverkehr. Wie in vielen anderen Gefängnissen des Landes herrscht auch hier Überbelegung. Hier leben 60 Gefangene mehr als vorgesehen. Weil in einigen Zellen kein Platz mehr für zusätzliche Betten ist, wurden hier und da Matratzen direkt auf den Zementfußboden gelegt.

Gefängnis Tirana/Albanien - Außenansicht
Das Gefängnis 302 in TiranaBild: DW / Arben Muka

Einige der Gefangenen klagen über Wassermangel, gerade in diesen heißen Julitagen. "Eine kalte Dusche gibt es nur einmal in der Woche und warmes Wasser nur für fünfzehn Minuten, erzählt ein Gefangener. Sein Zellennachbar fügt hinzu: "Wir schwitzen und die Luft hier ist auch sehr stickig." Auch was den Zustand der Zellen angeht, sind einige der Untersuchungshäftlinge unzufrieden.

Tee und Brot nach der Norm

Der 35-jährige Artan sitzt schon seit fünf Jahren in Untersuchungshaft. "Wir werden hier nicht als Gefangene, sondern wie Geiseln behandelt. Vorher war ich in Lezha und ich bin zu Unrecht hierher verlegt worden, denn ich habe nie die Disziplin verletzt", erzählt er. "Ich habe eine alte Mutter und die muss jetzt bis hierher kommen, um mich zu besuchen. Das schlägt schwer auf die Psyche."

Über das Essen rümpfen nicht nur die Gefangenen die Nase, sondern auch die Strafvollzugsbeamten. Bashkim, der hier seit sieben Jahren als Koch arbeitet, hat gerade drei Kessel mit Eintopf und Reis vorbereitet: "Zum Frühstück gibt es Tee und Brot nach der Norm - und nur das. Zum Mittagessen gibt es Fleisch mit Gemüseeintopf. An einem Tag Reis und an einem Tag Nudeln. Zum Abendessen gibt es Bohnen, entsprechend der Norm."

Die einzige Abwechslung bietet die Versorgung durch Angehörige. Der Kontrollraum, in dem die Dinge liegen, die die Angehörigen den Gefangenen mitgebracht haben, ähnelt einem Großhandelslager, wo es nicht an Mineralwasser, Limonaden, Salatöl und allen möglichen Nahrungsmitteln aller Qualitäts- und Preisklassen mangelt. In Tirana, aber auch in den anderen Gefängnissen Albaniens wird das Essen noch immer nach einer Nahrungsmittelnorm gekocht, die vor 30 Jahren, in der Zeit des Kommunismus, festgelegt wurde. Dies wurde auch durch die Kommission zu Verhinderung der Folter beim Europarat bemängelt.

Zu wenig Kalorien

Das Problem erkennt auch der Direktor der albanischen Gefängnisse, Sajmir Shehri, an: "Dass die Normen der Gefangenenversorgung noch immer aus dem Jahre 1976 stammen, ist ein Paradox. Diese Norm erfüllt nicht die Maßstäbe für die Kalorienzufuhr, die wir gegenüber den Gefangenen erfüllen müssen", räumt er ein. "Das wurde von der Menschenrechtskommission auch schon beklagt. Die albanische Regierung hat ein Budget für alle Gefängnisse von 104 Millionen Leke verabschiedet. Das wurde von spezialisierten Institutionen so ausgerechnet, um sicherzustellen, dass die Gefangenen ihre nötigen Kalorien erhalten. Die Auswirkungen dieser Entscheidung werden wir in der zweiten Jahreshälfte erleben können."

Shehri sagt, dass innerhalb des Maßnahmenpakets auch die Entsendung von Psychologen gehört. Blerina arbeitet seit fünf Jahren als Psychologin im Gefängnis von Tirana. "Es gibt noch Verbesserungsbedarf. Die Idee ist, dass ein Sportplatz eingerichtet wird und den Gefangenen andere Angebote zu unterbreiten, damit sie beschäftigt sind", sagt sie. "Wir bieten ihnen unsere Hilfe an, aber dennoch kann noch viel Konkretes getan werden."

Problem Überbelegung

Arben, einer der jüngsten Bewohner des Gefängnisses, ist in der Öffentlichkeit als Maler und als Mitarbeiter im Tourismusministerium bekannt. Er sagt, dass er sich in dem einen Monat, den er hier verbracht hat, nicht von seiner schöpferischen Tätigkeit isoliert fühlt. Aber auch er hofft, dass die Bedingungen der Untersuchungshaft sich in der Zukunft verbessern. "Ich komme jederzeit an Kunstbücher und Literatur heran, ohne die ich nicht leben kann und verbringe viel Zeit damit, zu lesen. Die andere Zeit verbringe ich mit Freunden", sagt er. "Die Probleme haben nichts mit dem hier beschäftigten Personal zu tun, sondern mit den Rahmenbedingungen, die die Regierung für die Gefangenen verbessern muss." Er hoffe, dass die angekündigten Maßnahmen umgesetzt würden. "Das größte Problem ist die Überbelegung."

Aufgrund der Lage des 80 Jahre alten Gefängnisgebäudes mitten in der Stadt ist es nicht möglich, den Raum, der für kreative Tätigkeiten und Fortbildungsangebote zur Verfügung steht, auszuweiten. Justizminister Aldo Bumci möchte das Problem in den nächsten zwei Jahren durch eine Modernisierung des bestehenden Gefängnisses und den Bau neuer Gefängnisse lösen und damit auch die Forderungen des Europarates erfüllen. "Durch diese Maßnahmen können wir über 90 Prozent der jetzigen Untersuchungshäftlinge in Albanien angemessen unterbringen", sagt Bumci.

Während Arian, einer der Untersuchungsgefangenen, noch auf diese Modernisierungen wartet, übt er sich in Geduld: "Wem die Freiheit entzogen wurde, der versucht in sich selbst Kraft zu finden. Die Auseinandersetzung mit dem Gefängnis und der Isolation gewinnt nur derjenige, der sich nicht hängen lässt", sagt er.