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Tod im Hausflur

Udo Bauer25. März 2002

Ein Geschworenengericht in Los Angeles hat die Besitzerin von zwei Kampfhunden wegen Mordes verurteilt. Die Tiere hatten eine Nachbarin regelrecht zerfleischt. DW-TV-Korrespondent Udo Bauer über das Präzedenzurteil.

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Für die Jury gab es keine Zweifel: Marjorie Knoller habe alle Warnungen über die Gefährlichkeit ihrer Hunde ignoriert und habe so – fahrlässig – den Tod eines Menschen nicht nur in Kauf genommen, sondern schuldhaft verursacht. Das Urteil heißt in den USA wörtlich übersetzt "Mord zweiten Grades" und rangiert aufs deutsche System übertragen irgendwo zwischen Mord und Totschlag. Das Strafmaß für die Tat muss noch festgelegt werden; 15 Jahre Gefängnis gibt es dafür mindestens, aber auch lebenslang ist möglich. Was war geschehen?

"Liebenswerte Tiere"

Im Januar vergangenen Jahres war Marjorie Knoller mit ihren beiden – wie sie sagte "liebenswerten" - Kampfhunden Bane und Hera auf dem Weg ihr Appartmentgebäude in San Francisco zu verlassen, einer der Hunde war nicht an der Leine. Im Hausflur begegnete ihr die 33-Jährige Nachbarin Diane Whipple. Die kräftigen Tiere griffen dann offenbar sofort die Sporttrainerin an, bissen sie am ganzen Körper und zerrissen ihr schließlich die Kehle. Die Hundehalterin hatte zwar versucht, ihre je 50 Kilo schweren Hunde zurückzuhalten. Die aber waren offenbar so im Blutrausch und bissen sogar ihr Frauchen, wie Fotos im Verfahren bewiesen haben. Diane Whipple hatte literweise Blut verloren. Ärzte konnten das Leben der Lehrerin nicht mehr retten. Aber war das ein Mord?

Keine Konsequenzen gezogen

Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Hausaufgaben gemacht. Sie hatte herausbekommen, dass es schon an die 30 Vorfälle gab, bei denen die beiden Kampfhunde durch aggressives Verhalten aufgefallen waren und Leute auf der Straße verängstigt hatten. Konsequenzen daraus gezogen hatte die Hundebesitzerin aber offensichtlich nicht. Hätte sie die Hunde nur noch am Stachelhalsband geführt oder im Zwinger gehalten, so argumentierte Staatsanwalt Jim Hammer, dann wäre die nette Nachbarin noch am Leben. Aber war das ein Mord?

Die Jury war geschockt

Staatsanwalt Hammer wollte mit diesem Fall ein Exempel statuieren, und es ist ihm gelungen. Kampfhunde werden also künftig wie Waffen behandelt, mit denen man auch gewissenhaft umgehen sollte. Eine interessante Argumentation, der man sich auf den ersten Blick gerne anschließen möchte. Denn unzweifelhaft hat Marjorie Knoller durch ihr fahrlässiges Verhalten den Tod eines Menschen verursacht. Es war sicherlich mehr als ein "tragisches Unglück", von dem ihre Anwältin gesprochen hatte. Aber war es wirklich ein Mord, für den man einen Menschen für den Rest seines Lebens hinter Gittern schickt? Die Jury hat diese Frage klar bejaht. Sie war während des Prozesses regelrecht geschockt worden mit schrecklichen Fotos vom Obduktionstisch, den Bisswunden, dem Blut. Das Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft war im höchsten Maße auf dieser emotionalen Ebene abgespult worden, es ging um den Todeskampf der hübschen jungen Frau. Juristische Laien fallen auf so etwas rein, Richter nicht. Das amerikanische Rechtssystem hat ein weiteres Opfer produziert.