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Tod nach 15 Jahren Hausarrest

Matthias von Hein 17. Januar 2005

Am Montag (17.1.) wurde der Tod des Ex-Regierungs- und Parteichefs Zhao Ziyang bekannt. Weil er die Demokratiebewegung 1989 unterstützte, war er kalt gestellt worden. Die Trauerfeier könnte zum Albtraum werden.

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15 Jahre lang war über Zhao Ziyang in den Medien der Volksrepublik China kein Wort zu lesen oder zu hören. Immerhin: sein Tod wurde prompt vermeldet. Mit keinem Wort aber wurde erwähnt, dass Zhao Ziyang in den 1980er-Jahren an der Spitze von Partei und Regierung Chinas stand, dass er der zweitmächtigste Mann war hinter Deng Xiaoping.

Nichts war zu lesen über die Reformansätze von Zhao Ziyang, der die Trennung von Verwaltung und Partei anstrebte und mit seinen Wirtschaftsreformen erst den Boden bereitet hat für den Aufstieg Chinas zur bedeutenden Wirtschaftsmacht. Und erst recht war nichts davon zu lesen, dass die Kommunistische Partei Chinas (KP) mit dem Genossen Zhao, wie er in der Todesnachricht genannt wurde, wenig genossenschaftlich umgegangen ist.

15 Jahre lang hat die KP ihren früheren Chef in seinem Haus im Zentrum Pekings streng isoliert. Die handstreichartige Absetzung Zhaos im Mai 1989 war dabei ebenso gegen die Regeln, die sich die herrschenden Funktionäre in ihrem Parteistatut selbst gegeben hatten, wie der Hausarrest selbst.

Der Grund für dieses Verhalten ist Furcht. Und der Grund für die Furcht der KP vor dem alten Mann liegt auf der Hand: Mit dem Namen Zhao Ziyang verbindet sich die schwärzeste Episode der KP Chinas: Der Tag an dem die Partei das Militär auf die eigene Bevölkerung schießen ließ.

Mit diesem Massaker in der Nacht vom 3. zum 4. Juni 1989 ging eine gigantische Geschichtsfälschung einher. Das begann mit der offiziellen Darstellung der Bewegung als konterrevolutionär, angeblich geplant und gesteuert von einer kleinen Gruppe von Personen, die aus dem feindlichen Ausland unterstützt würden. Und das endete mit der regelmäßigen Weigerung, die Ereignisse von 1989 neu zu bewerten - sowie dem Versuch, alle zum Schweigen zu bringen, die eine solche Neubewertung fordern. Die Partei knüpfte ihr Überleben an die Aufrechterhaltung der Lügen von 1989.

Paradoxerweise werden mit dem Tod Zhaos all die Gespenster wieder lebendig, die durch das verordnete Vergessen nur mühsam in Schach gehalten wurden: Die Erinnerung daran, wer das Pekinger Blutbad vorbereitete, wer davon profitierte und wer verantwortlich für die Erschießung unbewaffneter junger Chinesen ist.

Dass Todesfälle und Trauerfeiern politische Dynamik entfalten, wäre nicht neu im kommunistischen China. 1976 löste der Tod von Premierminister Zhou Enlai massenhafte öffentliche Trauer aus, die zum Ventil für Unzufriedenheit mit den ideologischen Exzessen der Mao-Ära wurde. Und auch die Proteste von 1989 entzündeten sich an den Trauerfeiern: Damals war Hu Yaobang gestorben - wie Zhao Ziyang Generalsekretär der KP und Reformer, wie Zhao unrechtmäßig gestürzt. Die Organisation der Trauerfeiern für Zhao wird zum sicherheitspolitischen Albtraum für die Pekinger Führung werden.