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Umstrittener EU-Kommissar

Vera Kern13. November 2012

Erst homophobe und frauenfeindliche Äußerungen, nun womöglich Bestechung. Die Zweifel am designierten EU-Kommissar Tonio Borg sind groß. Jetzt muss er sich dem EU-Parlament stellen.

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Tonio Borg (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso muss möglicherweise einen Nachfolger für den Nachfolger suchen: Erst im Oktober musste der Malteser John Dalli als Gesundheitskommissar zurücktreten - wegen einer undurchsichtigen Korruptionsaffäre. Nun soll der maltesische Außenminister Tonio Borg (55) seinen Landsmann ersetzen. Doch so weit soll es gar nicht erst kommen, finden einige EU-Abgeordnete.

Kritik von Liberalen und Grünen

Zu umstritten ist Borgs erzkonservative Haltung, zu fragwürdig seine mögliche Verstrickung in einen Bestechungsfall. "Tonio Borg könnte das Amt des EU-Kommissars dauerhaft beschädigen", fürchtet Holger Krahmer, der für die Liberalen im EU-Parlament sitzt. Barroso hätte einen solch umstrittenen Kandidaten längst zurückweisen müssen. Denn Tonio Borg sei als äußerst rechter Vertreter einer wertkonservativen Partei in Malta aufgefallen: "Wenn jemand der mittelalterlichen Meinung ist, dass Homosexualität etwas Unnormales ist, das in der Mitte Europas nichts zu suchen hat - ist das dann der richtige Kommissar?" Es sei zudem fraglich, ob Borg überhaupt die europäische Grundrechte-Charta akzeptiere, so der deutsche Liberale Kramer.

John Dalli (Foto: dpa)
Um seine Nachfolge geht es: Ex-Kommissar John DalliBild: picture-alliance/dpa

Auch Franziska Brantner, Europaabgeordnete der Grünen, zweifelt an der Eignung des Maltesers als Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz. Tonio Borg sei vor allem wegen seiner konservativen Ansichten in Sachen Frauenrechte, Abtreibung und Homosexualität ein zweifelhafter Kandidat: "Dass er zum Beispiel nach dem Referendum in Malta über das Scheidungsrecht immer noch sagt: Frauen haben kein Recht auf Scheidung". Hier müsse Borg sich bei der Anhörung klar äußern. Borgs mögliche Verstrickung in einen Bestechungsskandal - eine Angelegenheit, die vor allem juristischer Aufklärung bedürfe, so die Grünen-Europaparlamentarierin.

Franziska Brantner (Foto: DW/Joanna Impey)
"Borg muss sich klar äußern": Franziska Brantner von den GrünenBild: DW

Mögliche Verstrickung in Bestechungsskandal

Borg soll dem kasachischen Ex-Politiker Rashkat Alijew, der von Interpol wegen Mordes und Folter gesucht wird, eine Aufenthaltsgenehmigung in Malta verschafft haben - gegen 150.000 Euro. Das behauptet zumindest Alijews Ehefrau, die Borg in einem Rechtsstreit als potenziellen Zeugen für die Schmiergeldzahlung nennt. Die Hinweise über eine mögliche Verwicklung Borgs in diesen Korruptionsskandal lieferte der Berliner Anwalt und frühere Regierungschef der DDR, Lothar de Maizière.

Guter Kandidat jedoch für Konservative

Doch die Konservativen im Parlament halten am maltesischen Kandidaten fest. Elmar Brok, konservativer Europaparlamentarier, ist von der Integrität Tonio Borgs überzeugt: "Ich kenne ihn seit über 30 Jahren als jemanden, der sich niemals etwas hat zu Schulden kommen lassen. Ihn da jetzt mit hineinzuziehen ist sachfremd und nicht korrekt", sagte Brok der Deutschen Welle. Der CDU-Politiker hatte den designierten Gesundheitskommissar zuvor schriftlich um Aufklärung im Bestechungsfall gebeten. Borg habe ihn detailliert über die Vorgänge unterrichtet, heißt es in einer Presseerklärung Elmar Broks. Weiter heißt es da, Borg sei geeignet, Gesundheitskommissar zu werden.

Elmar Brok (Foto: dapd)
"Kenne Borg seit 30 Jahren": Elmar Brok von der CDUBild: dapd

Über die Eignung Tonio Borgs als EU-Gesundheitskommissar wird letztlich EU-Kommissionspräsident Barroso entscheiden. Nach der Anhörung spricht der zuständige Ausschuss lediglich eine Empfehlung aus. Doch schon einmal hatte Barroso einen umstrittenen Kandidaten zurückgezogen: den ehemaligen Vatikan-Berater Rocco Buttiglione, der 2004 EU-Justizkommissar werden sollte. Auch damals war die Skepsis gegenüber dessen erzkonservativen Vorstellungen in Sachen Homosexualität und Frauenrechten recht groß - wie nun im Fall Tonio Borg.