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Tony Blair ohne Reue

1. Oktober 2003

Der britische Premierminister Blair hat sich fürs Kämpfen entschieden, nicht fürs Kuscheln. Auf dem Labour-Parteitag hat er seine Entscheidung für einen Irak-Krieg gegen heftige Kritik aus den eigenen Reihen verteidigt.

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"Ich würde heute wieder so handeln"Bild: AP

Unter scharfer Kritik der Parteilinken hat der britische Premierminister Tony Blair seine Entscheidung zum Irak-Krieg verteidigt. "Greifen Sie meine Entscheidung an, aber verstehen Sie zumindest, warum ich sie getroffen habe und die gleiche Entscheidung wieder treffen würde", sagte Blair am Dienstag vor den Delegierten der Labour Party im südenglischen Badeort Bournemouth.

Zugleich ließ er keinen Zweifel daran, dass er in einer vergleichbaren Situation britische Soldaten erneut in den Krieg schicken würde. Trotz allen Streits glaubt Blair daran, dass der Irak "ohne Saddam Hussein ein besseres Land" sei. Auf die bisher vergebliche Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak ging er jedoch nicht ein.

Blair will nicht "Amerikas Schoßhund" sein

In der Irak-Politik seien viele Menschen "enttäuscht, verletzt, wütend" und fest davon überzeugt, dass der Waffengang falsch gewesen sei, sagte der Premierminister. "Kritisieren Sie meine Entscheidung, die ich über Irak traf, aber verstehen Sie, warum ich sie getroffen habe", appellierte Blair an seine Parteifreunde und beteuerte: Er habe die Entscheidung für den Irak-Krieg nicht als "Amerikas Schoßhund" getroffen. Vielmehr wolle er gegen den Terrorismus ankämpfen, um Großbritannien sicherer zu machen, betonte der Premier in seiner Rede.

Der frühere Außenminister Blairs, Robin Cook, hatte auf dem Parteitag den Krieg gegen den Irak als "politisches Desaster erster Klasse" bezeichnet. Die frühere Entwicklungshilfeministerin Clare Short sagte, es sei viel Vertrauen verspielt worden. "Es wäre besser für Tony (Blair), wenn er freiwillig ginge." Viele Parteimitglieder würden Schatzkanzler Gordon Brown als Regierungschef vorziehen, der nach ihrer Ansicht den sozialistischen Wurzeln der Partei näher steht.

Sympathiewerte im Keller

Derzeit befindet sich Blair in einem Umfragetief. 59 Prozent der Befragten erklärten am Wochenende gegenüber dem Institut NOP, sie fühlten sich von dem Premier getäuscht, und 41 Prozent der Befragten forderten Blairs Rücktritt. Abstimmungsniederlagen auf dem Parteitag bleiben Blair jedoch voraussichtlich erspart: Den parteiinternen Kritikern war es am zu Beginn nicht gelungen, strittige Themen der Außenpolitik wie Irak oder den Euro als eines der vier Themen durchzusetzen, über die während des Treffens bis Donnerstag abgestimmt werden soll.

Stattdessen wollen sich die Delegierten auf die innenpolitischen Themen Arbeit, Gesundheit, Industrie und Renten konzentrieren. Der Parteichef bemühte sich zugleich darum, den Parteitag auf die bevorstehenden innenpolitischen Herausforderungen einzuschwören. Die Labour Party habe die Chance eines dritten Wahlsiegs in Folge. Diese gelte es zu nutzen. Er wolle noch eine "historische dritte Wahl" für Labour gewinnen, sagte Blair in einer kaum verhüllten Abfuhr an seinen Rivalen, Schatzkanzler Gordon Brown.

Unüberhörbare Kritik

Dennoch kritisieren viele Deligierte nicht nur die Außen-, sondern auch die Sozialpolitik Blairs. So will der Premier unter anderem die Studiengebühren erhöhen und Teile des staatlichen Gesundheitssystems privatisieren. Der frühere Labour-Chef und heutige EU-Kommissar Neil Kinnock sagte in einem BBC-Interview, Blair dürfe seine politischen Überzeugungen nicht opfern, um Kritiker zufrieden zu stellen.

Regieren erfordere klare Entscheidungen. Blair müsse jedoch die richtigen Fragen stellen und sich die Antworten anhören. Schatzkanzler Gordon Brown, der als Blairs Rivale gilt, hatte am Montag für seine Rede den begeisterten Applaus der Delegierten erhalten. Brown hatte eine Rückbesinnung auf die traditionellen Werte der Labour Party gefordert. (am)