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Tony Martin: "Top Ten bei Tour ist möglich"

17. März 2011

Sein Sport ist tief gefallen, doch er steht ganz oben: Radprofi Tony Martin ist nach seinem Sieg bei Paris-Nizza Weltranglistenerster. Im DW-Interview verrät er, was das für seine Rolle bei der Tour de France bedeutet.

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Tony Martin jubelt auf dem Podium (Foto: pa)
Tony Martin gewinnt Paris-Nizza - und hat Großes vorBild: picture-alliance/DPPI

Drei Rennen, zwei Siege: Die Saison von Tony Martin könnte kaum besser laufen. Nach der Algarve-Rundfahrt gewann der 25-Jährige auch die prestigeträchtige Rundfahrt Paris-Nizza und übernahm damit die Führung in der Radsport-Weltrangliste. Martin lebt in der Schweiz und gilt als das größte deutsche Rundfahrt-Talent seit Jan Ullrich. Während Letzterer mehrfach des Dopings überführt wurde, beteuert Martin, seine Leistungen sauber zu erbringen.

DW-World.de: Tony Martin, erst einmal Glückwunsch zum Sieg bei Paris-Nizza. Wie schwer war es, dieses Rennen zu gewinnen?

Tony Martin: Die Umstände haben das Rennen sehr schwer gemacht. Wir haben am Anfang drei sehr nervöse Flachetappen erlebt, auf denen es viele Stürze gab und immer Gefahr durch Windkanten drohte. Diese ersten drei Tage waren eher durch das Taktische geprägt, gleichzeitig war es nicht leicht, sich vorne zu behaupten. Ich bin aber gut durchgekommen. Dann gab es eine schwere Bergankunft, die sehr steil war, wo ich auch überraschend gut durchgekommen bin. Ausschlaggebend war dann das lange Zeitfahren, wo ich als Favorit an den Start gegangen bin. Das war eine mentale Belastung, aber ich denke, ich habe die Aufgabe ganz gut gemeistert.

Tony Martin bei Paris-Nizza (Foto: pa)
"Sehr angenehm" trage sich das Gelbe Trikot, meint Martin - im Juli würde er es gerne wieder tragen.Bild: picture-alliance/Augenklick/Roth

Paris-Nizza gilt als die "kleine Tour de France" im Frühjahr. Wie wichtig ist Ihnen dieser Sieg?

Schon sehr wichtig. Es ist ein sehr prestigereiches Rennen. Man kann schon sagen, dass es eine kleine Tour de France ist. Man steht auf demselben Podium wie bei der Tour und es sind sehr viele Zuschauer da. Der Sieg motiviert mich unheimlich für die Tour.

Wie trägt es sich denn so, das Gelbe Trikot?

Sehr angenehm! Mit dem Gelben Trikot hat man viel Respekt im Feld, ist selbst sehr motiviert und auch die ganze Mannschaft ist sehr motiviert.

"Ich werde einer der Kapitäne bei der Tour sein"

Sie führen nun die Weltrangliste im Radsport an. Ändert das nun auch Ihre Position im Team?

Die Weltrangliste ist für mich gar nicht so ausschlaggebend. Aber ich denke, ich habe mir eine solide Kapitänsrolle im Team erarbeitet. Ich bin topmotiviert in das Rennen gegangen und habe die Mannschaft auch ganz gut geführt. Das haben die sportlichen Leiter auch so registriert und insofern glaube ich, dass ich bei der Tour de France auch einer der Kapitäne sein werde.

In diesem Frühjahr haben Sie schon Fahrer wie Alberto Contador, Frank Schleck oder Bradley Wiggins geschlagen. Was sagt das über Ihre Chancen bei der Tour de France aus?

Das darf man nicht überbewerten. Die Tour de France ist ein anderes Kaliber, die Berge sind länger und das Rennen geht über drei Wochen. Da muss man sehen, ob ich mich gegen diese Fahrer behaupten kann. Aber sicher ist das motivierend für mich, dass ich diese Größen hinter mir lassen konnte und ich hätte mir keinen schöneren Start in die Saison vorstellen können.

Tony Martin wird von zwei Hostessen geküsst (Foto: AP)
Von Karrierebeginn an ein Siegfahrer: Tony MartinBild: AP

Sie haben in der Vergangenheit bei der Tour de France auch immer für ihren Sprinter Mark Cavendish arbeiten müssen. Dürfen Sie sich diese Körner nun sparen?

Weiß ich nicht. Das sind Absprachen, die ich noch mit Mark und der sportlichen Leitung des Teams treffen muss. Ich werde sicher meine Arbeit im Sprinterzug machen, aber muss sehen, ob man das vielleicht ein bisschen reduziert. Aber es ist auch schön, in diesem Zug für Cavendish mitzufahren und einen Teil des Erfolges für sich mitzunehmen, wenn Mark gewinnt.

Nach ihrem starken Auftritt bei ihrer ersten Tour de France 2009 folgte im Vorjahr ein eher enttäuschendes Abschneiden als 137., auch, weil Sie im Frühjahr zu hart trainierten und anschließend Knieprobleme bekamen, wie es hieß. Sind sie manchmal zu ehrgeizig?

Das wird mir jedenfalls nachgesagt. Aber ich habe in diesem Winter auch darauf reagiert und habe es etwas ruhiger angehen lassen. Und ich habe gesehen, dass weniger eben auch mehr sein kann. Insofern habe ich aus dem letzten Jahr einiges gelernt.

"Die Tour ist eher auf die Bergfahrer zugeschnitten"

Ihr Teamchef Rolf Aldag traut Ihnen bei der Tour de France im Gesamtklassement alles zu zwischen Platz zehn und dem Toursieg. Sie sich auch?

Ich denke, ein Top Ten-Platz ist möglich, irgendetwas zwischen Platz fünf und zehn. Ob es dieses Jahr schon zu mehr reichen wird, wage ich erst einmal zu bezweifeln. Denn ich denke, die diesjährige Tour ist mehr auf die Bergfahrer zugeschnitten.

Sie haben ihren Durchbruch bei den Profis mitten in der Krise des deutschen Radsports erlebt. Ärgert Sie es, dass Sie nicht die Aufmerksamkeit bekommen wie zu Zeiten des Teams Telekom?

Nein gar nicht. Ich kann wenigstens mein Privatleben in einer gewissen Privatsphäre verleben. Ich bekomme viel Aufmerksamkeit aus dem Ausland und es gibt auch noch genug Fans in Deutschland, die mir schreiben.

"Ich versichere, dass ich sauberen Sport betreibe"

Die deutschen Radsportfans wurden von den gedopten deutschen Radhelden der 90er Jahre enttäuscht. Ist die neue Generation ehrlicher?

Gute Frage. Ich kann natürlich nur für mich sprechen und allen Fans versichern, dass ich einen sauberen Sport betreibe. Ich denke aber auch, dass sich die Leistung im Fahrerfeld normalisiert hat. Es gibt nicht mehr den einen Fahrer, der allen anderen auf und davon fährt und eine unrealistische Leistung bringt.

Tony Martin auf dem Zeitfahrrad (Foto: AP)
Seine Spezialität: das ZeitfahrenBild: AP

Hat sich das Standing des Radsports in Deutschland denn verbessert?

Ich denke, mit dem Ausstieg von ARD und ZDF aus der Tour de France-Übertragung ist erst einmal ein negativer Verlauf zu bemerken. Aber ich lebe mittlerweile in der Schweiz und daher interessieren mich die deutschen Medien nicht mehr so.

Jan Ullrich holte den Deutschen Radsport mit seinem Sieg 1997 aus dem Dornröschenschlaf. Was passiert, wenn sie im Juli aufs Tour-Podium fahren?

Ich denke mal, da wird die ARD und das ZDF auf einmal die Tour de France wieder übertragen. Dann wird sicher wieder Euphorie herrschen. Ein Sport lebt und stirbt mit seinen Helden. Und da wo es im Radsport wieder positive Ergebnisse von deutschen Fahrern gibt, werden die Medien auch wieder zurückkommen, da bin ich ganz sicher.

Die Fragen stellte Joscha Weber

Redaktion: Olivia Fritz