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Top-Viren aus Deutschland

Nadim Abdul-Karim16. August 2004

Nach der Halbjahresbilanz der Anti-Viren-Firma Sophos ist die Zahl der neu entdeckten Würmer im ersten Halbjahr 2004 um 21 Prozent gestiegen. Der gravierendste Wurm kam diesmal aus Deutschland.

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Schlaraffenland für Computerviren: Die Betriebssysteme von MicrosoftBild: AP

Die Anti-Viren-Spezialisten von Sophos zählten in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres 4677 neue Viren, Würmer und Trojaner. Allerdings ist ihre Lebenserwartung im Internet recht kurz, sie verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind. Nur eine geringe Anzahl von Schadprogrammen stellen eine wirkliche Gefahr dar. Diese sind aber so erfolgreich, dass weltweit in kurzer Zeit Millionen von PCs befallen und infiziert werden können.

Man unterscheidet drei Strategien: Viren können sich mit Hilfe eines Wirtsprogramms selbst reproduzieren, daher auch die Analogie zu ihren biologischen Namesvettern. Trojaner sind Programme, die neben der eigentlichen Funktion weitere, für den User nicht erkennbare Nebenfunktionen ausüben. Ähnlich wie Viren, können sich Würmer ebenfalls reproduzieren, benutzen dazu allerdings kein Wirtsprogramm.

Virus aus Deutschland die Nr. 1

Wurm und Computer
Computerwürmer können weltweit PCs lahm legenBild: dpa

Für Schlagzeilen und eine Menge Aufregung sorgte ein Schüler aus Waffensen an der Wümme im Bundesland Niedersachsen. Sven Jaschan ist der Programmierer der Computerschadprogramme NetSky und Sasser. Für 70 Prozent aller Schadprogramme, die im ersten Halbjahr 2004 durchs Netz geisterten, ist der Schüler aus Waffensen verantwortlich. "Es ist erschütternd, dass ein einzelner deutscher Teenager einen solch dramatischen Einfluss hatte," so Graham Cluley von Sophos. Der Sasser-Wurm und die verschiedenen Varianten des NetSky-Wurms waren die häufigsten PC-Krankheiten und dominieren die Wurm- und Virencharts des vergangenen Halbjahres.

Jaschan machte sich eine bereits gepatchte Sicherheitslücke von Microsoft in den Betriebssystemen Windows XP und Windows 2000 zu nutze. Sasser verbreitete sich nicht wie üblich via E-Mail-Anhang, sondern direkt von PC zu PC. Eine schlichte Internetverbindung reichte aus, um nicht geschützte Windows-PC zu infizieren. Nachdem der PC erfolgreich infiziert war, startete der Wurm gleichzeitig 128 Angriffsversuche ins Internet oder ins lokale Netzwerk.

Gut gegen böse

Die Grundidee des jungen Mannes aus Waffensen war die Programmierung eines "guten" Wurms, der im Netz auf die Jagd nach "bösen" Würmern gehen sollte. Das Ziel des Programms war es, MyDoom und Bagle-Wurmprogramme, die damals im Internet ihr Unwesen trieben, unschädlich zu machen. NetSky und später auch Sasser schlichen sich durchs Netz, infizierten Systeme und begannen dann mit ihren "Reinigungsarbeiten".

Ohrfeige für Microsoft

Die Frage ist, ob die selbst ernannten Internetpolizisten wie Sven Jaschan das nötige programmiertechnische Verständnis mitbringen, um mit ihren Programmen keinen Schaden anzurichten. Sasser fuhr infizierte Systeme herunter und dann wieder hoch. Nach Angaben des Programmierers war das nicht geplant, aber er konnte den Fehler nicht finden. Dies jedoch hinderte ihn nicht an der Verbreitung seines Geschöpfs.

Bill Gates Microsoft Gründer und Chef Softwarekonzern Multimilliardär
Microsoft Gründer und Chef Bill GatesBild: AP

"Sasser sollte ein Warnschuss sein", behauptet Jaschan. Er sei kein krimineller Programmierer, sondern wollte die Öffentlichkeit nur auf Sicherheitslücken hinweisen, die allein der Softwarekonzern Microsoft zu verantworten habe. Dass der Computerwurm Sasser sich so schnell ungehindert verbreiten konnte, sorgte bei dem US-amerikanischen Softwarekonzern für Unruhe. Microsoft dominiert mit einem Marktanteil von 90 Prozent und sieht es denkbar ungern, dass Würmer wie Sasser solch ein leichtes Spiel in den Sicherheitslücken haben.

Bezahlbare Schadensersatzforderungen

Die zuständige Staatsanwaltschaft in Verden ermittelt immer noch den Schaden, den der Leader der Sophos-Virencharts verursacht haben könnte. Bis dato seien erst 30 bis 40 Schadensersatzforderungen eingegangen, erklärte der Anwalt des angeklagten Sasser-Autoren. Diese Forderungen bewegen sich zwischen 45 und 3500 Euro.

Das wohl keine Millionenforderungen gestellt werden, verdankt der Schüler unter anderen T-Online. Aufgrund einzelner Ausfälle an Arbeitsplatzsystemen ohne gravierende Folgen verzichtet das Unternehmen auf eine Schadensersatzklage. Beeinflussen wird dies den Strafprozess wegen Computersabotage wohl kaum, aber wahrscheinlich werden sich die Schadensersatzforderungen im bezahlbaren Rahmen halten.