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Totgesagte leben länger

Oliver Pieper 28. April 2003

Carlos Menem und sein Parteikollege Néstor Kirchner werden in der Stichwahl um die argentinische Präsidentschaft gegeneinander antreten. Wird es alten Wein in alten Schläuchen geben? Oliver Pieper kommentiert.

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"Folgt mir, ich werde Euch nicht enttäuschen" - Mit dem Wahlkampfslogan von 1989, als Carlos Menem zum ersten Mal, völlig überraschend damals, zum argentinischen Staatspräsidenten gewählt wurde, warb der mittlerweile 72-jährige Politiker auch jetzt, 14 Jahre später für sich. Scheinbar mit Erfolg.

Die Stimmen von fast einem Viertel der argentinischen Wahlberechtigten bescherten Menem Platz Eins im ersten Durchgang. Sein im Wahlkampf stets wiederholter Appell, "unter Menem haben wir besser gelebt" - in Anspielung auf die so genannten "Pizza- und Champagner-Zeiten" Anfang der 1990er-Jahre -, verfing vor allem in den ärmeren sozialen Schichten. Und aus denen rekrutiert sich mittlerweile mehr als die Hälfte der argentinischen Bevölkerung, 52 Prozent leben indes unter der Armutsgrenze.

Selektive Wahrnehmung nennt man das wohl - oder auch den unverbesserlichen Glauben an den Feuerwehrmann, der zu
Anfang der 90er Jahre mit der Kopplung des argentinischen Peso an den US-Dollar den Flächenbrand der grassierenden Hyperinflation erfolgreich bekämpfte, dann aber einen immensen Wasserschaden hinterließ, weil er den chronisch überbewerteten Peso nicht auf Normalmaß zurückstutzte.

Carlos Menem hat den zweiten Teil der Geschichte in seinem Wahlkampf bewusst unterschlagen - oder aber versucht, den wirtschaftlichen Rohrbruch seinen Nachfolgern in die Schuhe zu schieben. Doch die Erinnerung an die - wie es so schön heißt - "besten Zeiten, die Argentinien je erlebt hat2, als der mittlerweile verschwundene argentinische Mittelstand vor zehn Jahren seine Dollars im Urlaub in Südbrasilien und Uruguay verprasste, wird für die Stichwahl am 18. Mai nicht reichen. Denn Carlos Menem muss seine vier ein halb Millionen Stimmen mehr als verdoppeln. Und das ist schier unmöglich, denn die argentinische Linke wird dem, wie manche sagen, "bösen Stehaufmännchen" kein einziges Votum geben.

So ist es kein Zufall, dass Carlos Menem auch in den Umfragen, welchen Politiker die Argentinier auf keinen Fall wählen würden, immer weit geführt hat. Doch Menem wäre nicht Menem, wenn er nicht noch an ein Happy-End in drei Wochen glauben würde - und verweist darauf, dass er noch vor 16 Monaten wegen der Verstrickung in illegale Waffengeschäfte mit Ecuador und Kroatien unter Hausarrest stand und quasi totgesagt war. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger, auch und vor allem in Argentinien.