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Tottenhams Reifeprüfung

13. Februar 2018

Nach einem Horror-Start in Turin nehmen die Tottenham Hotspur ihr Schicksal in die eigene Hand und zeigen, dass sie die großen Namen nicht mehr fürchten. Harry Kane und Christian Eriksen überragen.

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Fußball Champions League - Juventus vs Tottenham Hotspur Ausgleich 2:2
Bild: Reuters/M. Rossi

Im Vorprogramm der Partie Juventus – Tottenham wurde der Klub aus dem Norden Londons beim Sender SKY als "jahrelanger, symphatischer Loserklub" bezeichnet. Angesichts der seit Jahren konstanten Anwesenheit im oberen Drittel der Premier League ist das sicher eine zumindest übertriebene Formulierung. Angesichts der aktuellen Stärke der Spurs und der Reaktion des Teams von Trainer Mauricio Pochettino in Turin ist diese Bezeichnung allerdings unangemessener Spott. 

Vom Doppelschlag nicht schocken lassen

Dabei hatte es nach acht Minuten in Turin so ausgesehen, als kämen die formstarken Spurs bei einem großen Gegner übel unter die Räder. Torjäger Gonzalo Higuain hatte Juve nach anderthalb Minuten mit einem Traum-Volley in Führung gebracht und gut sechs Minuten später per Elfmeter für das 2:0 gesorgt. Derart heftig ins Hintertreffen geraten, wären frühere Spurs Teams wohl anschließend regelrecht auseinander gebrochen, doch das Team, das der Argentinier Pochettion in London mittlerweile geformt hat, kann nicht nur Fußball spielen, sondern beweist in Turin auch die mentale Stärke, die es auf der Elite-Bühne Champions League braucht.

Kane münzt die Überlegenheit um

Das Team strahlt Ruhe, Entschlossenheit und Selbstvertrauen auch in schweireigen Situationen aus – etwas, das den Spurs lange fehlte. Spielerisch präsentierte sich die Spurs-Offensive ganz stark und brachte die betagte Juve-Abwehr im Minutentakt in Verlegenheit. Dele Alli, Christian Eriksen, Moussa Dembélé und vorne drin Harry Kane – mit bärenstarkem und blitzschnellem Kombinationsfußball rissen die Londoner immer wieder Räume in Juves Defensiv-Verbund. Lediglich nutzen konnten sie die daraus resultierenden Möglichkeiten zunächst nicht. Doch in der 37. Minute war dann der Torjäger vom Dienst, der den Bann brach. Harry Kane zog im Strafraum aus vollem Lauf an Juve-Keeper Buffon vorbei und schob zum Anschlusstreffer ein – der Aufwand war endlich belohnt worden und die Spurs wussten: Hier kann was gehen.

Kane und Eriksen sorgen für die Tore

Neun Tore in neun Champions League Spielen für die Spurs – das spricht für sich. Und Kane lässt sein Können nicht an einigen guten Abenden aufblitzen, sondern liefert Spiel für Spiel ab. Seit Wochen ist der englische Nationalspieler auf den Punkt da und trifft für die Spurs scheinbar nach Belieben. Dass er derjenige war, der das Team ins Spiel zurückbringt, passt perfekt zu seinem momentanen Lauf. Und doch machte die Partie in Turin klar, dass Kane der vielleicht beste und auffälligste im Team, das Gesicht des neuen Tottenhams, aber auch nur einer von elf Spielern ist, die mit einer Spielidee und dem Glauben an sich und das Team Fußball spielen.

Das Spiel wäre wohl endgültig gelaufen gewesen, hätte Higuain kurz vor dem Pausenpfiff auch seinen zweiten Elfmeter zum 3:1 verwandelt. Doch der Argentinier lederte den Ball zum Glück für die Gäste nur an die Latte. Und so führten die Spurs ihr Spiel, das sie nach dem 0:2 plötzlich aus dem Boden stampften, im zweiten Durchgang eindrucksvoll fort.

Erstmals 2:0-Führung vergeben  

Weiter ging es im Minutentakt in Richtung Juventus-Tor, immer mit viel Tempo, aber nie chaotisch oder hastig. Das 2:2 lag quasi permanent in der Luft. Und das es dann nach einem Standard fiel, zuvor hatte Tottenham alle CL-Treffer in dieser Saison aus dem Spiel heraus erzielt, bewies, dass das Glück an diesem Abend in Turin mit den Glücklichen, den Mutigen, den Tapferen, den Beeindruckenden, den Tottenham Hotspur war.

Nie zuvor hatte Juventus in seinem 2011 eröffneten Stadion eine 2:0-Führung aus der Hand gegeben, doch das Tottenham an diesem Abend hatte es sich mit seiner auf allen Ebenen vorzüglichen Vorstellung verdient, der „alten Dame“ diese Marke zunichte zu machen. Genauso wie das 2:2-Endresultat, das den Spurs im Rückspiel alle Möglichkeiten auf den Einzug ins Viertelfinale bietet. Und das gegen einen der schwersten Gegner im Wettbewerb, dem Titelkandidaten aus Turin. Harry Kane selbst brachte es mit einem Tweet nach dem Spiel auf den Punkt: "Wir haben riesigen Charakter gezeigt, nach einem 0:2 zurückzukommen. Zwei großartige Tore und jetzt freuen wir uns auf das Rückspiel in Wembley." In diesem Stadion wurden große Spiele gespielt und Fußballer zu Helden. Das Zeug, dort im Rückspiel Großes zu schaffen haben sie: Die vielleicht besten Spurs der Geschichte!

DW Kommentarbild David Vorholt
David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion