1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Touristen unerwünscht?"

Eckhard Tollkühn4. Dezember 2001

Warum die Sicherheit des US-Präsidenten einen Dämpfer auf die vorweihnachtliche Stimmung in Washington legt - DW-TV-Korrespondent Eckhard Tollkühn erläutert.

https://p.dw.com/p/1Rtj

Lichterglanz, Knusperhäuschen, Tannenduft. Weihnachten im Weißen Haus. Seit Jahren ist die vorweihnachtlich geschmückte Residenz des Weißen Hauses ein Anziehungspunkt für Touristen. Millionen kennen das hoch-dekorierte Interieur aus TV-Führungen, in denen die First Lady die schmuckvolle Villa voller Stolz vorstellt. Die Neugierde treibt die Touristen auch in der kalten Jahreszeit in die Hauptstadt. Nicht so in diesem Jahr. Seit den Anschlagen vom 11. September zerbricht sich der Secret Service noch mehr den Kopf über die Sicherheit des Präsidenten. Zum Durchsuchen von Handtaschen und Brustbeuteln der Besucher bleibt den Leibwächtern da wohl keine Zeit. Das Weiße Haus ist deshalb bis auf weiteres für den Publikumsverkehr geschlossen.

Die offizielle Einweihung des Weihnachtsbaums auf der Elipse, an der Südseite des Weißen Hauses, wird normalerweise im Beisein Tausender von Schaulustigen zelebriert. Aber diesmal wurden nur geladene Gäste vorgelassen, die erleben durften, wie Laura Bushs Knopfdruck die Lichterketten an der Riesentanne zum Leuchten bringt. Die Zeichen sind gesetzt: Touristen im Washington von heute sind unerwünscht.

Das hat die Stadtväter auf den Plan gerufen. Sie laufen Sturm gegen die Fremdenfeindlichkeit der Regierung. Schließlich ist der Fremdenverkehr die größte Einnahmequelle der Stadt (Industrie im klassischen Sinne gibt es nicht. Erst in den letzten Jahren sind einige High-Tech-Korridore entlang der Ausfallstrassen entstanden).

Die Sicherheit des Präsidenten liegt selbstverständlich auch der Stadtverwaltung am Herzen. Dennoch wirft Bürgermeister Anthony Williams dem Präsidenten vor, sich in Widersprüche zu verstricken. Einerseits rufe er die Bevölkerung ständig dazu auf, sich nicht vom Terror einschüchtern zu lassen und ein normales Leben zu führen. Auf der anderen Seite lasse er zu, dass sein Secret Service die Hauptstadt allmählich zu einer geschlossenen Gesellschaft macht.

In den Tagen vor dem 11. September wurde schon diskutiert, die für Autos gesperrte Pennsylvania Avenue vor dem Weißen Haus wieder für den allgemeinen Verkehr freizugeben. Denn die Sperrung führte zu einem Verkehrschaos und wurde von vielen Autofahrern als unzumutbar kritisiert. Aber diese Diskussion erstarb jäh mit den Flugzeugbomben auf New York und Washington.

Maßnahmen für ein Mehr an Sicherheit werden vor dem Hintergrund der Terroranschläge meist noch widerspruchslos hingenommen (Das neue Anti-Terrorgesetz ging als "Patriot Bill" durch den Kongreß. Wer wagt es bei einem solchen Titel noch Einwände zu äußern?).

Dem Sicherheitsdenken steht der Wunsch nach Normalität entgegen. Ein Zuviel an Einschränkungen spielt den Motiven der Terroristen in die Hände. Hier einen Kompromiß zu finden, ist nicht einfach.

Doch indem sich der Präsident zum Knecht Ruprecht der Nation macht und den Weihnachtstouristen in Washington den Spaß verdirbt, versetzt er der vielbeschworenen Normalität in Amerika einen größeren Schock als ihm vielleicht bewußt ist.