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Touristen - Zerstörer der Kultur?

fro/William Foreman18. Januar 2002

Die taiwanischen Ami sind überrascht. Dass Fotos ihrer Zeremonien und farbenprächtigen Gewänder einmal Hochglanzbroschüren schmücken würden, hätten sich die Einwohner von Rui Liang noch vor kurzem nicht träumen lassen.

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Taiwanische Ureinwohnerin in der Tracht der AmiBild: AP

Ebenso wenig, dass sie eines Tages vor den Kameras verschwitzter Touristen posieren würden. Diese fallen in Scharen in den kleinen Ort im Osten Taiwans ein. Doch die Ami haben keine Wahl. Der Tourismus scheint für den größten der zehn taiwanischen Stämme die einzige Hoffnung zu sein, zu überleben.

Wachsende Existenzangst

Erdbeben und Erdrutsche haben die Hänge, auf denen die Ami bisher Betelnüsse und andere Früchte anbauten, zerstört und unbewirtschaftbar gemacht. Hinter dem freundlichen Lächeln, mit dem sie die Gäste begrüßen und bewirten, verberge sich bei vielen reine Existenzangst, erzählt Maliko. Sie arbeitet in einem der Dörfer als Fremdenführerin. Die junge Frau kann sich mit dem Gedanken, dass Touristen nun tagtäglich durch das Dorf spazieren nur mühsam anfreunden. Sie fürchtet, dass die Zeremonien, bei denen meist Alkohol fließt, ein falsches Bild vom Leben der Volksgruppe entstehen lassen. Das Klischee vom "alkoholtrinkenden Eingeborenen" wird dadurch nur verstärkt. "Die Touristen kommen vorbei und sehen uns nur tanzen und Wein trinken und meinen dann, dass wir den ganzen Tag nichts anderes tun. Das stimmt natürlich nicht", sagt sie.

Ureinwohner auf Taiwan
Bild: AP

Wahrscheinlich werden in Zukunft immer mehr Menschen nach Rui Liang kommen, da das Interesse an einheimischen Traditionen zunimmt. Aus ihrer wirtschaftlichen Notlage heraus haben sich die Ureinwohner nun sogar dafür eingesetzt, ein seit fünf Jahren bestehendes Visa-Verbot für Urlauber aus dem kommunistischen China aufzuheben.

Fluch oder Segen?

Was für einige wie ein Lichtstreif am Horizont erscheint, ist für andere ein täglich wiederkehrender Albtraum. Sie fürchten, dass der Tourismus und die damit zusammenhängende Betonung publikumswirksamer Rituale die kulturellen Wurzeln der Ami vollkommen verdorren lassen wird. Viele Rituale werden verändert, nur damit sie für die Fremden attraktiv erscheinen. Aus einfachen Festen sind spektakuläre Shows geworden.

Die Jüngeren verlassen die Dörfer

Obwohl der Tourismus wirtschaftlichen Aufschwung mit sich bringt, haben viele Stämme mit dem Problem des Abwanderns der jungen Erwachsenen zu kämpfen. Sie verlassen den Stamm, weil sie in ihren Heimatdörfern keine Zukunft für sich sehen. Herr Su von der Tourismusbehörde ist allerdings überzeugt, dass der aufkommende Fremdenverkehr diese Abwanderungsbewegung aufhalten kann.

In Chimei, einem Ami-Dorf in der Nähe von Rui Lang, ist dies bisher nicht gelungen. Hier hat sich viel verändert seit die Touristen kommen. Authentisch sind die Zeremonien schon lange nicht mehr. Statt, wie es Tradition ist, am ersten Tag des mehrtägigen Festivals zu kochen und zu putzen, wohnen die Frauen nun der sonst Männern vorbehaltenen Zeremonie bei. Sie reihen sich beim Tanz in die Gruppe der Männer ein. Doch ihre steifen Bewegungen vermitteln den Eindruck, als ob sie sich nicht so recht wohlfühlen. Den jungen Amis schien das ähnlich zu gehen - die meisten von ihnen haben Chimei verlassen. Für die Vorführungen werden immer öfter taiwanische Studenten gebucht.