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Touristenschreck Mursi?

Viktoria Kleber3. Juli 2012

Die ägyptische Tourismusbranche ist in Sorge. Der neue Präsident Mursi, so die Befürchtung, könnte ausländische Touristen abschrecken. Dabei hat Mursi angekündigt, den Tourismus auszubauen.

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Ägyptens neuer Präsident Mursi nach seinem Wahlsieg (Foto: dapd)
Ägypten Kairo neuer Präsident Mursi Wahlsieg ArchivbildBild: AP

An einem kleinen Tisch in der Innenstadt von El Gouna, einem Touristenort am Roten Meer, sitzt Ekrami Latif mit Freunden in der Mittagssonne. Ekrami ist Tauchlehrer in El Gouna, zeigt den Touristen die Unterwasserwelt Ägyptens. Foul und Falafel, ägyptisches Alltagsessen, gibt es für ihn in der Mittagspause, für die meisten Touristen in den benachbarten Luxus-Restaurants ein volles Büffet, Meeresfrüchte.

Ekrami, 36, sitzt in kurzer Hose und T-Shirt auf einem Holzstuhl. Er erinnert sich noch genau an den Moment als bekannt wurde, dass Mursi der neue ägyptische Präsident ist. Es war ruhig in El Gouna, nur zwei Autos fuhren hupend durch die Innenstadt. Die Mehrzahl der Bewohner hat für Mursis Gegenkandidaten Schafik gestimmt, einen Vertreter des alten Regimes. Die Menschen in El Gouna fürchten nun, dass die Touristen wegbleiben, auch Ekrami Latif. “Natürlich habe ich Angst um meinen Job“, sagt er. “Die Touristen reisen schnell in andere Länder, wo das Wetter genauso gut ist, und die Leute gastfreundlich sind. “

Ferienort El Gouna, Ägypten
Ein Ferienort aus der Retorte: El GounaBild: DW

Diskussionsstoff im ehemaligen Parlament: Bikini- und Alkoholverbot

Dabei mangelt es in El Gouna nicht an Gastfreundschaft. Es ist ein Ort, wo jeder seine Touristenseele baumeln lassen kann. Tauchen, surfen, segeln - gutes Wetter garantiert. Doch Ekrami Latif hat Angst, dass das bald vorbei ist. Im letzten ägyptischen Parlament, das im Juni aufgelöst wurde, diskutierte manch ein Muslimbruder Bikini- und Alkoholverbot. Das wäre fatal für El Gouna und für die anderen Touristenmagnete am Roten Meer. Der Tourismus ist die drittwichtigste Säule der ägyptischen Wirtschaft, jeder sechste Arbeitsplatz hängt vom Tourismus ab. Ein Einbruch der Besucherzahlen wäre eine Katastrophe für die ohnehin schon am Boden liegende Wirtschaft.

Annemarie Bakker aus Veenendaal in Holland war schon vier Mal in Ägypten. In knappem Top und kurzer Hose sitzt sie am Mittagstisch. Im Urlaub gönnt sie sich schon mal ein Bier am frühen Tag, darauf will sie auch in Zukunft nicht verzichten: “Wenn wir keinen Bikini tragen oder keinen Alkohol mehr trinken können – nein, dann komme ich nicht zurück.“

Strand in Ägypten (Foto: Mohamed Bdawi)
Ägyptens Traumstrände sind leerer gewordenBild: Mohamed Bdawi

Mursi will den Tourismus stärken

Doch nach Bikini- und Alkoholverbot sieht es in Ägypten derzeit nicht aus. Der neue Präsident Mursi weiß, wie wichtig der Tourismus für sein Land ist. In seiner Antrittsrede versprach Mursi, sein Bestes zu tun, damit der Tourismuszweig wieder so stark wird, wie er vor der Revolution war.

Laut dem Tourismusministerium hat Ägypten 2011 im Vergleich zum Vorjahr rund 30 Prozent weniger Umsatz im Tourismus gemacht. Und in der Tat bleiben immer dann die Touristen dem Land fern, wenn es mal wieder Unruhen in Kairo gibt - obwohl die Touristenmagnete weit von der Hauptstadt entfernt sind. Ägypten ist nicht nur der Tahrir-Platz. Urlaubsorte wie El Gouna, so scheint es, sind eine andere Welt. Das kommt aber nicht bei allen Urlaubern an.

Optimistisch: Adham Mahmoud, Tourismusmananger in El Gouna (Foto: Mohamed Bdawi)
Denkt positiv: Tourismusmanager Adham MahmoudBild: Mohamed Bdawi

Adham Mahmoud, verantwortlich für den Tourismus in El Gouna ist optimistisch. Er vertraut Mursis Worten. Seit er Präsident ist, gab es in El Gouna noch keine Stornierungen. Und Adham weiß, Mursi hat wichtigeres zu tun, als islamische Dogmen durchzusetzen. “Arbeitslosigkeit und Armut – das sind Punkte, die ganz oben auf seiner Liste stehen“, sagt Adham. “Da kann er es sich sicherlich nicht erlauben, sich mit einer Wirtschaft anzulegen, die gut läuft.“

In El Gouna fürchten sich auch die Christen

Doch der Tauchlehrer Ekrami Latif sieht die Situation nicht so gelassen. Mursi ist für ihn nur ein weiterer Muslimbruder, ein weiteres Chamäleon, das seine politische Richtung der aktuellen Stimmung anpasst. Bekäme Mursi Druck von den radikaleren Salafisten, dann könnte er sich vielleicht doch zu touristenunfreundlichen Gesetzen hinreißen lassen.

Und vor noch etwas hat Ekrami Latif Angst. Er ist Christ, wie rund die Hälfte der Bevölkerung in El Gouna. Hier arbeiten Christen und Muslime Hand in Hand, wie in kaum einer anderen Stadt in Ägypten. Es ist ein Miteinander in El Gouna, keine Parallelgesellschaft. Der kleine Ort hat eine Kirche und eine Moschee. Im Ramadan versuchen die Christen mehr zu arbeiten, Weihnachten springen die Muslime ein. Doch mit einem Muslimbruder als Präsident, so fürchtet Ekrami Latif, könnte auch das bald vorbei sein. “Ich denke es wird viele Gesetze gegen Christen geben“, sagt er. “Und ich glaube, dass es mehr Trennung zwischen Muslimen und Christen geben wird. Wir wissen es noch nicht. Aber wir haben Angst.“

Es liegt nun an Mohammed Mursi, seinen Versprechen und seinem guten Willen Taten folgen zu lassen. Nur damit kann er Ekrami Latif und andere Christen und Beschäftigte in der Tourismusbranche überzeugen. “Wir hoffen das Beste“, sagt Ekrami Latif. “Denn eigentlich hat es jeder Mal verdient mit Bikini und einer Flasche Bier an einem unserer schönen Strände zu liegen.“