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Tournee der Linken

Peter Hille1. Mai 2006

Rechts und links, das gibt es gar nicht mehr? Nicht so für die Nachwuchskräfte von Sozialisten und Kommunisten in Europa. Mit wenig Traditions- und viel Kampfgeist schauen sie in die Zukunft.

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Laute Linke in FrankreichBild: AP

Suzie Wylie klingt ein klein wenig erschöpft. Kein Wunder - zehn Tage lang war sie in Deutschland unterwegs und hat sich an dreizehn Universitäten den Kopf heiß geredet über linke Politik in Europa. Wylie ist Mitglied der linken "Respect"-Partei Großbritanniens, zur Tournee eingeladen hatte sie die deutsche Linkspartei.

Wo steht die neue Linke?

Gemeinsam mit Kamel Brahmi, einem Franzosen und Antonello Zecco aus Italien habe sie über die Erfahrungen linker Bewegungen in ihren Ländern gesprochen, so Wylie. "Wir haben mit deutschen Studenten und Aktivisten darüber diskutiert, ob es eine neue Linke in Europa gibt."

Irak Oil for Food Program George Galloway
Einziger Abgeordneter: George GallowayBild: AP

Die neue Linke sei da, und überall auf dem Vormarsch, das habe man festgestellt, sagt Wylie. "Wir haben aber auch gemerkt, dass es einige Unterschiede gibt: In Italien und Frankreich sind die kommunistischen Parteien fest etabliert, bei uns in Großbritannien überhaupt nicht." Nur einen Parlamentsabgeordneten stelle Respect bisher. "Wir haben uns erst im Zuge der Proteste gegen den Irak-Krieg 2004 gegründet. Der Frieden ist immer noch unser wichtigstes Thema - wir sehen uns nicht als klassische Linkspartei."

Links und sehr links

Als Kommunistin möchte sich Wylie daher nicht bezeichnen. Den Genossen Kamel Brahmi und Antonello Zecca dürfte das leichter fallen. Sie sind beide Mitglieder der kommunistischen Parteien ihrer Länder, der Parti Communiste in Frankreich und der Rifondazione Comunista in Italien. Die Abgrenzung von kommunistischen Regimen in Geschichte und Gegenwart fällt ihnen nicht immer leicht. Sozialdemokratische Bewegungen, die Labour-Partei in Großbritannien oder die deutsche SPD, das ist umso klarer, gehören für die Aktivisten schon lange nicht mehr zum wahrhaft linken Spektrum.

Dafür verlaufe die Trennlinie zwischen links und sehr links in Frankreich nicht mehr so streng wie einst, sagt Kamel Brahmi. In der Kampagne gegen die EU-Verfassung im letzten Herbst habe man sich - über alle ursprünglichen politischen Gräben hinweg - im "Nein" vereinigt. "Es waren Kommunisten von der PCF ebenso wie die Trotzkisten, Sozialisten und Grüne, Globalisierungskritiker und Gewerkschafter." Dieselbe große Koalition der Linken habe auch das CPE-Gesetz der Regierung verhindert, das nach Meinung von Brahmi die Rechte junger Arbeitnehmer ausgehebelt hätte.

Zeit für Fusionen

Studentenproteste in Paris
Gewaltig: Proteste gegen das CEP-Gesetz in ParisBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Für die nächsten Wahlen im Jahr 2007 schlägt Brahmi daher eine "anti-neoliberale Einheitskandidatur" der Linken vor. "Das bedeutet aber auch, dass die sozialen Bewegung sich den politischen Herausforderungen stellen und bereit sein müssten sich an anti-neoliberalen Einheitslisten zu beteiligen", so Brahmi.

Ein solcher Zusammenschluss linker Bewegungen mit den etablierten Parteien sei durchaus realistisch, sagt Professor Elmar Altvater, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. "Die Spaltung zwischen den außerparlamentarischen linken Bewegungen und den Parlamentsfraktionen von Sozialisten, Kommunisten und Co. ist in ganz Europa aufgehoben", so Altvater. "ATTAC und die Gewerkschaften sind näher an die linken Parteien herangerückt. Man tut sich jetzt zusammen." Das zeige auch der derzeitige Zusammenschluss der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) zur Linkspartei in Deutschland.

Politisch statt touristisch

Die Fusion von PDS und WASG erinnere ihn an die Gründung der Rifondazione Comunista vor 15 Jahren, sagt Antonello Zecca. Damals stritten sich Sozialisten und Kommunisten um den richtigen Weg. Ein Ruck weiter nach links im Jahr 2001 habe für seine Partei schließlich die Wende gebracht, so Zecca. Diese Erfahrungen wolle er an die Mitglieder von WASG und PDS weitergeben. Die Globalisierung sei das wichtigste Thema. Klare, einfache, anti-liberale Slogans hätten den Kommunisten schließlich sechs Prozentpunkte bei den Wahlen am 10. April eingebracht.

Protestkundegebung der globaliosierungskritischen ATTAC Bewegung
Globalisierungskritisch: Demonstration der Attac-BewegungBild: AP

Einen Ruck der Linken nach links könne er in Europa insgesamt nicht beobachten, sagt Altvater. "Eher schon ein Zusammenrücken der Linken auch über nationale Grenzen hinweg." Die Zahl der Kontakte zwischen den Parteien und Bewegungen in den verschiedenen Ländern sei heute um ein vielfaches höher als noch vor zehn Jahren. "Das ist gar kein Vergleich zur Situation damals", so Altvater. Ursache sei auch die zunehmende Sprachkompetenz junger europäischer Studenten. "Die liegen heute in Italien nicht mehr einfach als Touristen am Strand herum - die besuchen auch politische Veranstaltungen."

Streik für alle

Die polit-touristische Tour durch Deutschland habe ihr Spaß gemacht, sagt Suzie Wylie. "Die Linke befindet sich in ganz Europa zurzeit in einer Umbruchsphase. Es ist wichtig, dass man sich zusammen setzt und seine Strategien austauscht." Dann kommt Wylies Stimme wieder voll in Fahrt. Sie redet von den Plänen der Respect-Partei; man wolle die Rentenreform von Premierminister Blair mit weiteren Streiks stoppen: "Genauso wie die Franzosen das vorgemacht haben."