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Transatlantischer Kompromiss für den Iran

Heinrich Bergstresser27. November 2003

Für die Iran-Resolution der Internationalen Atomenergiebehörde war ein Kompromiss zwischen USA, Frankreich, Deutschland und Großbritannien nötig. Heinrich Bergstresser über Hintergründe und Konsequenzen.

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Eine Mischung aus höherer Einsicht und schierer Notwendigkeit hat die USA und die Europäer dazu gebracht, gemeinsam diese Resolution aus Zuckerbrot und Peitsche zu verabschieden. Sie zwingt den Iran, sich wieder internationalen Spielregeln zu unterwerfen. Aber niemand
sollte glauben, dies sei bereits der Beginn einer neuen
strategischen Partnerschaft zwischen Europa und den USA in der Krisenregion am Golf. Zu unterschiedlich sind die Beweggründe, die die scharfe Note an Teheran erst ermöglichten.

Und an diesen Unterschieden wird sich auch in absehbarer Zeit nichts Grundsätzliches ändern. Denn die USA werden trotz aller konzeptionellen Fehleinschätzungen im Irak und im Nahen und Mittleren Osten alles Erdenkliche tun, um an ihrer machtpolitischen Globalstrategie festzuhalten. Und die in der Region militärisch und sicherheitspolitisch vergleichsweise unbedeutenden Europäer werden ihrerseits auch weiterhin ihrer Regionalstrategie treu bleiben, die eher auf Diplomatie setzt.

Beim mittel- bis langfristigen Bedrohungspotential einer atomaren Bewaffnung Irans war es relativ leicht, einen Konsens zu finden und diese letztlich unvereinbaren Gegensätze nicht erneut voll aufbrechen zu lassen. Eine weitere Kraftprobe im Sicherheitsrat - vergleichbar der im Vorfeld des Irak-Krieges - wurde vermieden, beide Seiten wahrten ihr Gesicht.

Die Europäer und die Russen können für sich reklamieren, die USA von einem vorschnellen und unkalkulierbaren Gang zum Sicherheitsrat abgehalten und den Iran in die Schranken gewiesen zu haben - ein allenfalls kleines politisches Erfolgserlebnis. Sie können aber zugleich ihre Geschäftinteressen, besonders im Bereich der Atomtechnologie, weiterhin ungetrübt wahrnehmen - und das ist ein langfristig wirkendes Pfund.

Die USA ihrerseits brauchen sich auf kein weiteres militärisches Abenteuer einlassen, behalten aber alle Optionen in der Hand, um ihre politische Dominanz in der Region für lange Zeit festzuschreiben. Und sie haben im selben Atemzug einem Mitglied der "Achse des Bösen" die rot-gelbe Karte gezeigt.

Und der Iran? Er kann mit der neuen Lage gut leben. Er braucht die "islamische Atombombe" nicht, denn sie würde die gesellschaftliche und wirtschaftliche Modernisierung eher behindern denn fördern, jeglichen regionalpolitischen Handlungsspielraum extrem einengen und einen auf Atomanlagen gezielten Militärschlag geradezu provozieren.