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Transsilvanien

Robert Schwartz13. September 2015

Transsilvanien, das "Land hinter den Wäldern" in Rumänien, erlebt eine Renaissance. Kulturelle und soziale Projekte haben Vorbildcharakter für die gesamte Region.

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Kirchenburg Deutsch-Kreuz, Siebenbürgen, Rumänien (Foto: George Dumitriu/DW)
Kirchenburg Deutsch-Kreuz, Siebenbürgen, RumänienBild: G. Dumitriu

Transsilvanien, das ist für viele die Heimat der Vampire. Durch Bram Stokers Romanfigur Graf Dracula wurde das Hochland im Karpatenbogen weltweit bekannt. Weniger bekannt ist, dass Transsilvanien auf Deutsch Siebenbürgen heißt und seit dem 12. Jahrhundert auch die Heimat einer deutschen Minderheit ist: der Siebenbürger Sachsen.

Glaubt man den Skeptikern unter ihnen, neigt sich deren fast 900-jährige Geschichte dem Ende zu. Gab es noch vor dem Zweiten Weltkrieg annähernd 300.000 Sachsen in Siebenbürgen, so sind es heute noch knapp 15.000. Der Großteil ist während der kommunistischen Diktatur und vor allem nach deren Sturz (1989) in die Bundesrepublik Deutschland ausgewandert. Zurückgeblieben sind verlassene Bauernhöfe und leere Kirchen.

Engagement in der alten Heimat

Peter Maffay in Siebenbürgen (Foto: DW/Robert Schwartz)
Peter Maffay präsentiert seine Projekte in RadelnBild: DW/R. Schwartz

Viele der Ausgewanderten finden Jahr für Jahr den Weg zurück in ihre alte Heimat, zu den alten Kirchenburgen, in die Dörfer und Städte, um ihre letzten Verwandten und alte Freunde zu besuchen - und um ihre traditionellen Feste zu feiern. Einige von ihnen setzen sich für humanitäre oder kulturelle Projekte ein. Der Prominenteste unter ihnen ist der deutsche Rockstar Peter Maffay. Mit seiner Tabaluga-Stiftung hat der gebürtige Kronstädter in dem siebenbürgischen Dorf Radeln/Roades (rumän. – phon. Roadesch) das alte evangelische Pfarrhaus kernsaniert und ein Ferienparadies für traumatisierte Kinder eingerichtet.

Peter Maffay bei der Enthüllung der Ehrenplakette (Foto: DW/Robert Schwartz)
Peter Maffay bei der Enthüllung der EhrenplaketteBild: DW/R. Schwartz

Ein Gästehaus, ein Wohnhaus für Handwerker und Helfer, ein Bio-Bauernhof und eine Werkstatt vervollständigen sein soziales Projekt, das auch den Dorfbewohnern – überwiegend Rumänen und Roma – zugute kommt. Genauso wie die neue Wasserleitung und die Einrichtung eines medizinischen Stützpunkts, die von Maffay initiiert wurden.

Für sein Engagement wurde Peter Maffay in diesem Sommer doppelt ausgezeichnet: Er wurde Ehrenbürger seiner Heimatstadt Kronstadt/Brasov (rumän. – phon. Braschov), die er als Jugendlicher 1963 zusammen mit seiner Familie verlassen hat. Und die Schule, an der er lernte, schmückt eine Ehrenplakette mit seinem Namen.

Kulturgüter schützen, Brauchtum pflegen

Zusammen mit einem "echten Heimkehrer", dem erfolgreichen Unternehmer Michael Schmidt, hat Peter Maffay vor drei Jahren im Haferland, einer Region bei Kronstadt, eine Kulturwoche ins Leben gerufen. Jeden Sommer finden sich hier Tausende Siebenbürger ein – nicht nur Sachsen, sondern auch Rumänen, Ungarn und Roma –, um gemeinsam zu feiern. Kulturgüter zu schützen, Brauchtum zu pflegen und den Bewohnern eine Perspektive zu geben – das eint die beiden leidenschaftlichen Siebenbürger. Schmidt, der 1983 ausgewandert war und nach der politischen Wende zurückkehrte, hat zusammen mit seiner nach ihm benannten Stiftung im Dorf Deutsch-Kreuz/Crit (rumän. – phon. Kritz), seinem Geburtsort, das eingestürzte jahrhundertealte evangelische Pfarrhaus neu aufgebaut. Es dient heute als Gästehaus, wird aber auch für soziale Projekte und Kulturveranstaltungen genutzt.

Dr. Bernd Fabritius, MdB und Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen, Michael Schmidt, Stiftungsgründer (Foto: George Dumitriu/DW)
Begrüßung der Gäste. Im Bild, von links: Dr. Bernd Fabritius, MdB und Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen, Michael Schmidt, Stiftungsgründer.Bild: G. Dumitriu

Ein Detail, das immer wieder für Aufsehen sorgt: Im Nachbardorf Deutsch-Weißkirch/Viscri (rumän. – phon.: Wiskri) ist die Stiftung Mihai Eminescu Trust aktiv, die unter der Schirmherrschaft des britischen Thronfolgers steht. Prinz Charles, der das Dorf fast jedes Jahr besucht, hat dort ein altes Bauernhaus gekauft und unterstützt mehrere soziale Projekte. Eine "echte Dagebliebene", Caroline Fernolend, führt die Geschäfte der rumänisch-englischen Stiftung vor Ort. Ohne sie wäre die "Haferlandwoche" undenkbar. Und ohne die prominenten Gäste aus Politik und Kirche auch.

Letztes Jahr war noch der damalige Präsidentschaftskandidat Klaus Iohannis, auch ein Siebenbürger Sachse, bei den Festlichkeiten dabei. Jetzt hat der neue rumänische Präsident Iohannis allen Teilnehmern ein herzliches Grußwort übermittelt.

Ein neues Leben

Die meisten der rund 130 verbliebenen mittelaterlichen Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen sind inzwischen verwahrlost und einsturzgefährdet. In einem Kraftakt versucht die evangelische Landeskirche in Rumänien mit Geldern von der EU und der rumänischen Regierung und aus Spenden der Ausgewanderten, diese Festungen zu restaurieren. Rund 20 erstrahlen im neuen Glanz, einige davon gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Ohne die Leidenschaft der alten und neuen Bewohner könnte man den Skeptikern zustimmen, die vor dem nahenden Ende der jahrhundertealten Geschichte der Siebenbürger Sachsen warnen. Es gibt aber immer wieder Menschen, die uns eines Besseren belehren. Und die durch ihre Initiativen fast schon totgesagte Regionen in lebenswerte Räume umwandeln. Restaurierte Kirchen und Bauernhöfe, Bio-Landwirtschaft und nachhaltiger, "sanfter" Tourismus - das ist ein transsilvanisches Erfolgsrezept, das sogar Dracula in den Schatten stellt.