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Trauer und Wut in Abuja

Katrin Gänsler26. Juni 2014

Augenzeugen sind fassungslos: Mehr als 20 Menschen wurden bei einem Bombenanschlag im Zentrum der nigerianischen Hauptstadt Abuja getötet. Der Unmut in der Bevölkerung wächst.

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Bombenanschlag in Abuja (Foto: DW/K.Gänsler)
Bild: DW/K. Gänsler

"Verschwinde lieber wieder. Wir wollen jetzt nicht sprechen. Im Moment sind wir nur eins: richtig wütend", brüllt ein bulliger Mann ins Mikrofon und ballt die Faust. Seine Freunde nicken ihm zu. Die kleine Gruppe von Männern gehört zu den rund 100 Menschen, die sich ganz in der Nähe des Einkaufszentrums Emab Plaza versammelt haben. Es liegt in Wuse 2 im Zentrum der Hauptstadt Abuja an einer belebten Einkaufsstraße. Gerade abends, wenn die unzähligen Pendler in die Vororte fahren, bilden sich hier lange Staus.

Jetzt ist die Straße vor dem zweistöckigen Komplex mit den vielen kleinen Läden weiträumig abgesperrt. Das gelbe Band der Polizei flattert im Wind. Gegen 16 Uhr Ortszeit ist hier eine Bombe explodiert, die mindestens 21 Menschen in den Tod gerissen hat. Laut Polizeiangaben wurden 17 verletzt, die in fünf Krankenhäusern behandelt werden. Vor Ort versuchten noch Stunden später Spezialeinheiten, im Scheinwerferlicht mögliche Spuren zu sichern. Autowracks rund um das beige-farbene Gebäude deuten auf die Heftigkeit des Anschlags hin. Nach Informationen der Polizei sollen mindestens 17 Fahrzeuge ausgebrannt sein.

Bombenanschlag in Abuja (Foto: AP)
Etliche Autos gingen in Flammen aufBild: picture-alliance/AP Photo

Boko Haram als Drahtzieher vermutet

Der Anschlag in Wuse 2 ist bereits der dritte in diesem Jahr in der Hauptstadt. Im April und Mai kamen in Nyanya, einem Pendler-Viertel im Süden Abujas, 120 Menschen ums Leben. Am Mittwoch hatte es aber auch im Bundesstaat Adamawa einen weiteren Angriff auf einen Markt in Mubi gegeben, wie lokale Medien berichten. Todesopfer gab es dort aber offenbar nicht. Bisher hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt. In Nigeria geht man jedoch davon aus, dass die Terrorgruppe Boko Haram der Drahtzieher ist.

Das Entsetzen, dass die Kämpfer ausgerechnet im Zentrum zuschlagen können, ist auch Stunden nach dem Angriff noch groß. Viele Schaulustige diskutieren lautstark darüber. Dutzende Polizisten versuchen sie zu beruhigen. Ein Mann ruft ihnen zu: "Ich will doch nur wissen, was mit meinen Freund passiert ist. Er wollte hier einkaufen gehen."

Sprengsatz im Kleinwagen

Hinter dem Absperrband steht Chuks Ekwireke und schüttelt fassungslos den Kopf. "Ich war ein bisschen weiter weg", sagt Ekwireke, der zum Management von Emab Plaza gehört. "Als es losging, befand ich mich gerade in einem Geschäft. Plötzlich hörten wir die Explosion, und ich habe Feuer und Rauch aufsteigen sehen. Als ich aus dem Laden kam, fingen die Menschen an zu laufen", erzählt Ekwireke weiter. Augenzeugen berichten, dass vor dem Eingangstor ein Kleinwagen geparkt haben soll. Passanten hätten sich sogar darüber gewundert und gefragt, wem das Auto gehöre. In ihm könnte, so wird vermutet, der Sprengstoff versteckt worden sein. Zu Details hat sich die Polizei bis zum späten Mittwochabend aber nicht geäußert.

Chuks Ekwireke spricht das aus, was viele Menschen fühlen. "Niemand ist in Abuja mehr sicher. Oder besser gesagt: In ganz Nigeria ist man nicht mehr sicher." Außerdem hat er Angst vor weiteren Anschlägen. Schließlich wisse niemand, wo das nächste Ziel ist.

Bombenanschlag in Abuja (Foto: DW/K.Gänsler)
Schlugen wieder Extremisten von Boko Haram zu?Bild: DW/K. Gänsler

Wut auf die Regierung

Dass die Anschläge völlig unvorhersehbar sind, zeigen die vergangenen Wochen. In der jüngsten Vergangenheit hat Boko Haram wieder häufiger entlegene Dörfer im Norden in der Nähe zur kamerunischen Grenze überfallen. Die Region gilt als schlecht gesichert. Immer wieder wurde kritisiert, dass dennoch die Polizei- und Militärpräsenz nicht verstärkt wird. Für Entsetzen sorgten Anfang der Woche außerdem neue Entführungsfälle. Im Bundesstaat Borno sollen mutmaßliche Mitglieder von Boko Haram erneut Frauen und Mädchen in ihre Gewalt gebracht haben. Man geht von 60 Opfern aus. Im Dorf Chibok (Bundesstaat Borno) waren Mitte April bereits knapp 300 Schülerinnen entführt worden. Sie befinden sich nach wie vor in den Händen der Terroristen.

In Abuja selbst herrschte in den vergangenen acht Wochen jedoch Ruhe. Dass es nun wieder die Hauptstadt trifft, erfüllt viele Menschen jetzt aber nicht nur mit Angst, sondern auch mit Wut. "Unsere Führungselite kann uns doch nicht sagen, dass sie nicht weiß, was passiert. Sie wissen doch ganz genau, was falsch läuft", sagt Abdu Kaze, ein Geschäftsmann, aufgebracht.

Sicherheitsmaßnahmen greifen nicht

Kaze versucht, besonnen zu sprechen. Doch es gelingt ihm nicht immer. Am meisten ärgert ihn, dass die Sicherheitsvorkehrungen der Regierung versagt haben. "Hier gibt es doch ganz in der Nähe Straßensperren und Polizeikontrollen. Wenn diese funktionieren würden, dann hätten heute nicht so viele Menschen ihre Leben verloren."