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Trauernde auf beiden Seiten

Bettina Marx, z.Zt. Tel Aviv3. August 2014

Die israelischen Bodentruppen haben mit einem Teilrückzug aus Gaza begonnen, doch das bedeutet kein Ende der Kämpfe. In Rafah starben dutzende Menschen. Auch beim entführten israelischen Soldaten gibt es Gewissheit.

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Ein palästinensischer Junge in Rafah trägt ein Fahrrad aus den Trümmern eines Gebäudes, das in einem israelischen Angriff getroffen wurde (Foto: SAID KHATIB/AFP/Getty Images)
Bild: SAID KHATIB/AFP/Getty Images

Sie weinen, sie schreien oder sie erstarren vor Schmerz. Die palästinensischen Mütter, die ihre Kinder und Angehörigen betrauern. Fast 1700 Tote hat der Krieg im Gazastreifen bisher gefordert und ein Ende des Sterbens ist nicht abzusehen. Am Sonntagvormittag wurden nach palästinensischen Angaben bei einem Angriff auf eine Schule des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) in Rafah mindestens zehn Menschen getötet. Fast 10.000 Verletzte liegen in den Krankenhäusern, wo sie nur notdürftig versorgt werden können, denn das mangelhafte Gesundheitssystem des Gazastreifens ist mit den vielen Schwerverletzten vollkommen überfordert. Es fehlt an Blutkonserven, Antibiotika, Narkose- und Schmerzmitteln und medizinischem Gerät.

Viele der Verletzten, vor allem in Rafah im südlichen Gazastreifen, können nicht gerettet werden. Andere werden bleibende Schäden davon tragen und ihr Leben lang behindert bleiben. Die Ärzte müssen vor allem viele Amputationen vornehmen. Nach dem Krieg wird in Gaza eine Bevölkerung zurückbleiben, die an Leib und Seele geschädigt ist. Doch auch die Überlebenden, die in den UN-Schulen Zuflucht gefunden haben, sind traumatisiert. Sie lebten in ständiger Angst vor israelischen Angriffen und im Bewusstsein der eigenen Schutzlosigkeit, berichtet diese Frau im nördlichen Gazastreifen: "In den UN-Schulen sind hunderte Familien. In einem Klassenzimmer schlafen 50 Personen und sie sind dennoch nicht sicher. In Beit Hanoun wurde eine Schule getroffen, eine andere in Jebalia und diese Schule da drüben wurde auch getroffen. Warum? Wo sind die arabischen Staaten?"

Blutspuren liegen auf dem Weg zur UNRWA-Schule in Rafah (Foto: SAID KHATIB/AFP/Getty Images)
Blutspuren weisen den Weg zur UNRWA-Schule in RafahBild: SAID KHATIB/AFP/Getty Images

Es fehlt an allem

In manchen der UN-Schulen sind tausende Flüchtlinge untergekommen. Die Versorgung der vielen Menschen ist schwierig. Es fehlt an Wasser, Lebensmitteln, Decken und Kleidung, denn die meisten sind geflohen mit dem, was sie auf dem Leib trugen - so wie diese Frau: "Sie haben unser Haus angegriffen. Wir schlafen jetzt hier auf dem Boden. Wir haben kaum genug Wasser."

Die israelische Armee hat den Menschen erlaubt, in einige Ortschaften im Nordwesten des Gazastreifens zurückzukehren. Doch viele trauen sich nicht. Sie fürchten, dass die Kämpfe wieder aufflammen. Und in der Tat wird noch immer geschossen. Vor allem im Norden und im Süden gibt es nach wie vor israelische Angriffe. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Samstagabend in einer Pressekonferenz angekündigt, dass die Armee die Suche und Zerstörung der Tunnel fortsetzen werde. Ziel sei es nach wie vor, für die israelische Bevölkerung die Ruhe wiederherzustellen.

Gewissheit im Fall Hadar Goldin

Der getötete israelische Soldat Hadar Goldin (Foto: Reuters)
"Zum Ruhme des Staates Israel erzogen" - Soldat Hadar Goldin ist totBild: Reuters

Traurige Gewissheit hat inzwischen auch die Familie von Hadar Goldin. Am Freitag hatte man ihr mitgeteilt, dass der junge Leutnant in Gefangenschaft geraten sei und dass man versuche, ihn aus der Hand der Hamas zu befreien. Hunderte Israelis versammelten sich daraufhin vor dem Haus der Familie, sie sangen Lieder und beteten für die Rückkehr des vermissten Soldaten.

Als sich am Samstagabend abzeichnete, dass Israel seine Truppen langsam an den Rand des Gazastreifens zurückzieht, flehte Hadars Mutter Chedva die Regierung an, ihren Sohn nicht zurückzulassen. "Wir haben vier Kinder zum Ruhme des Staates Israel erzogen, alle sind Offiziere. Sie wurden nach Gaza geschickt, um den Staat zu beschützen. Ich rufe die Regierung auf, den Gazastreifen nicht zu verlassen und mein Kind nicht zurückzulassen."

Doch nur wenige Stunden später überbrachten Vertreter der Armee der Familie die Botschaft: Der Sohn ist gefallen, er wurde bei einem Zusammenstoß seiner Einheit mit einer Gruppe von Hamas-Kämpfern getötet, zusammen mit zwei weiteren Soldaten. Die Zahl der Toten auf israelischer Seite ist damit auf 64 Soldaten und drei Zivilisten gestiegen.