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Traurige Bilanz: US-Polizei gegen Schwarze

Wolfgang Dick22. September 2016

Die Polizeigewalt in der US-Stadt Charlotte und die Proteste gegen die tödlichen Schüsse auf einen Schwarzen folgen einer ganzen Serie von ähnlichen Fällen in den USA. Ein farbiger Präsident scheint nicht zu helfen.

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Polizist am Einsatzfahrzeug in den USA ,Ferguson Foto: Scott Olson/Getty Images)
Polizeieinsatz in Ferguson nach den Schüssen auf Michael BrownBild: Getty Images/S. Olson

Der Fall, der am meisten Wut auslöste, ereignete sich vor zwei Jahren, im August 2014. Zwölf Kugeln aus der Dienstwaffe eines weißen Polizisten werden gefeuert, sechs trafen den 18-jährigen Michael Brown. Der unbewaffnete schwarze Teenager stirbt in einem Wohnviertel von Ferguson im Bundesstaat Missouri. Er hatte den Gehweg einer Straße angeblich nicht benutzt. Die Schüsse gab es nach einem Handgemenge - aus Notwehr. Es folgen schwere Unruhen in der Bevölkerung. Schließlich tritt der Polizeichef zurück, als das Justizministerium auch noch über alltäglichen Rassismus bei der Polizei berichtet.

Die Zeitung "Washington Post" begann nach diesem Vorfall öffentliche Daten des FBI, der Polizei, von Nachrichten und sozialen Netzwerken auszuwerten und listet sie in Kalenderform auf. Allein der Kalender 2016 färbt sich von Monat zu Monat weiter dunkelrot. Noch im Januar 2016 gibt es wenigstens vier Tage, die lediglich grau erscheinen - für 0 Todesopfer durch Polizeischüsse. Im Sommer dieses Jahres bleibt nur noch ein Tag grau - an mehr als 20 Tagen listet der Kalender Fälle mit mehr als zwei toten Zivilisten durch Schüsse der Polizei auf. Die folgenden Fälle sind nur einige wenige Beispiele der Polizeigewalt gegen Afroamerikaner.

US-Polizei und Demonstranten in Baton Rouge stehen sich gegenüber. Foto: Mark Wallheiser/Getty Images)
Afroamerikaner demonstrieren gegen weiße Polizisten nach den tödlichen Schüssen in Baton RougeBild: Getty Images/M. Wallheiser

Tödliche Chronologie

2014: Ein schwarzer junger Mann, erst 17 Jahre jung, wird in Chicago erschossen, weil er vor einem Beamten wegläuft. Videos, die dies zeigen, werden veröffentlicht. Der Polizeichef wird entlassen, gegen den Polizisten wird Anklage wegen Mordes erhoben. Im November wird in Cleveland ein zwölfjähriger Schwarzer getötet. Der weiße Polizist, der die tödlichen Schüsse abgibt, hält die Waffe in den Händen des Jungen für echt. Es ist aber nur eine Softairpistole. In Phoenix trifft es einen schwarzen Familienvater, der seine Hand nicht aus der Hosentasche nehmen will. In der Tasche ist keine Waffe, sondern nur ein Arzneimittel.

2015

In South Carolina schießt ein Polizist einem 50 Jahre alten Mann mehrmals in den Rücken. Der Beamte wird wegen Mord angeklagt. In Baltimore stirbt ein 25-Jähriger während eines Polizeitransports an schweren Rückenverletzungen und einem Genickbruch. Auch in Baltimore kommt es zu Proteste, nachdem die Polizisten alle frei gesprochen wurden. Besonders tragisch: In Chicago wird eine fünffache Mutter erschossen, in Cincinnati ein Mann, dessen Auto bei einer Kontrolle auf einer Seite kein Nummernschild hat. Alle Opfer sind Afroamerikaner. Die Polizisten alle Weiße.

2016

Baton Rouge in Louisiana und Falcon Heights in Minnesota sind die Orte, die in diesem Jahr die Schlagzeilen bestimmten. Aus nächster Nähe wird auf einen 37-jährigen Schwarzen gefeuert, weil ein Beamter ruft, er habe eine Waffe. Ein 32-jähriger Mann wird getötet, als er in einer Verkehrskontrolle ins Handschuhfach greift, um Fahrzeugpapiere herauszuholen. Ähnlich ergeht es einem 40-Jährigen, der in Tulsa in Oklahoma an einem Auto lehnend plötzlich von einer Polizistin erschossen wird. Die Schützin gibt an, der Fahrer habe nicht kooperiert. Im Wagen habe sich noch eine Waffe befunden. Das Recherchenetzwerk "Mapping Violence" kommt in seiner Auswertung zu dem Ergebnis, dass die US-Polizei fünf mal mehr auf unbewaffnete Schwarze schießt als auf Weiße.

US-Präsident Obama auf der Trauerfeier für fünf erschossene Polizisten in Dallas. Foto:Getty Images/AFP/M. Ngan
US-Präsident Obama auf der Trauerfeier für fünf erschossene Polizisten in DallasBild: Getty Images/AFP/M. Ngan

Obamas Anteilnahme

Die Polizeigewalt sei ein "ernsthaftes Problem" räumte US-Präsident Barack Obama nach den tödlichen Schüssen auf zwei schwarze Männer noch im Juli ein. Diese Tragödien kämen viel zu häufig vor und seien auch "keine isolierten Einzelfälle" las man zuvor schon von Obama in einem Facebook-Beitrag. In einem Interview mit einem Sender, der vorwiegend ein schwarzes Publikum erreicht, wird Obama am deutlichsten: "Rassismus gegenüber Afroamerikanern ist tief in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt".

Damit beschreibe der US-Präsident nur, was offenkundig zu erkennen sei. Wo bleiben größere Gesten der Trauer und des Trostes und wo sind beherzte Maßnahmen gegen Polizeigewalt, wo schärfere Waffengesetze, fragen Aktivisten der Bewegung "Blacklivesmatter". Die Erwartungen an Barack Obama von 13 Prozent der Amerikaner mit afroamerikanischen Wurzeln und der größten Minderheit, den Hispanics, waren zum Amtsantritt hoch. Gleichheit vor Recht und Gesetz wurde erwartet. Viele Angehörige der Minderheiten sehen sich inzwischen enttäuscht von Obama, weil sich in Sachen Gegenwehr kaum etwas bewege und der Präsident sogar meine, die Dinge seien besser als vor 50 Jahren. Obama hatte gefordert, auch Errungenschaften anzuerkennen, um Fortschritte machen zu können. Man solle die Vorkommnisse nicht politisieren, lautete Obamas Bitte.

Tatsächlich drückt Obama in öffentlichen Reden immer wieder auch Verständnis für die Polizei aus. Sie hätten einen schwierigen Job und müssten geschätzt und respektiert werden. Reiste Obama während seiner ersten Amtszeit noch an die Orte der Auseinandersetzungen, wie 2008 nach Philadelphia, um zu vermitteln, werden solche Besuche über die Jahre seltener. Nach den Ausschreitungen in Ferguson sendet Obama seinen Justizminister Eric Holder. Obamas Gespräche mit Polizeivertretern fallen eher auf als die Kontakte zur Bürgerbewegung. Aber schon vor seinem Amtsantritt hatte sich Obama öffentlich gewehrt, er sei nicht so naiv zu glauben, in einer einzigen Wahlperiode könne man das, was Schwarze und Weiße trenne, überwinden. Offenbar haben nicht einmal zwei Amtsperioden dazu ausgereicht.