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Triumph für Djindjic

Klaus Dahmann9. Dezember 2002

Die Wahl des serbischen Präsidenten ist erneut gescheitert. Wann Neuwahlen ausgeschrieben werden, ist offen. Denn Serbiens Premier Djindjic hat es nicht eilig, ihm kommt ein vakanter Präsidenten-Posten recht.

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Es gibt viele Verlierer und einen großen Gewinner. Verloren hat vor allem Vojislav Kostunica, der vom Posten des jugoslawischen auf den des serbischen Präsidenten umsatteln will: Er hat nun schon zum zweiten Mal einen Pyrrhus-Sieg erlitten, weil er mit der absoluten Mehrheit der Stimmen an zu geringer Wahlbeteiligung scheiterte. Verloren hat aber auch die serbische Bevölkerung, die mit ihrer Boykott-Haltung die jugoslawische Teilrepublik in die tiefste Krise seit dem Ende des Regimes von Slobodan Milosevic stürzt. Dass sie frustriert ist über die Machtspielchen ihrer Politiker, mag verständlich sein. Doch wer nicht zur Wahl geht, kommt nicht um die Frage herum: Wohin steuert ein Serbien ohne Präsidenten?

Wer von der Krise profitiert, ist klar: der serbische Premier Zoran Djindjic und seine Regierungsmannschaft. Sie können durch das entstehende Macht-Vakuum ihre Position stärken. Denn zum Ein-mal-Eins der Demokratie gehört auch ein Präsident - ohne ihn fehlt eine wichtige Kontroll-Instanz. Djindjic kann es nur recht sein, denn seine Regierung steht auf wackeligen Füßen, seit sein DOS-Bündnis nach der Abspaltung von Kostunicas Partei DSS dezimiert ist.

Auch auf andere Koalitionspartner konnte sich Djindjic in den vergangenen Monaten immer weniger verlassen - und seine verbliebene Mehrheit im Parlament ist gefährlich dünn. Im Falle eines erfolgreichen Misstrauensvotums gegen Djindjic hätte ein Präsident nicht nur die Befugnis, vorgezogene Neuwahlen auszuschreiben, sondern auch die Wahl, wer die Übergangsregierung führen soll. Mit Kostunica als Präsident Serbiens stünden Djindjics Chancen in diesem Fall äußerst schlecht.

So aber kann sich der serbische Premier genüsslich zurücklehnen: Das Präsidenten-Amt übernimmt übergangsweise die Parlamentspräsidentin Natasa Micic. Auch wenn sie nicht Djindjics Partei selbst angehört, stammt sie doch aus den Reihen der DOS-Koalition. Und sie hat bereits deutlich gemacht, dass es so schnell erst einmal keinen dritten Anlauf bei den Präsidentschaftswahlen geben wird. Man wolle den Wählern eine Pause gönnen - sprich: Djindjic hat Zeit gewonnen. Zeit, in der er die als einzige Macht-Komponente in Serbien verbleibt und diese Situation zu einer Konsolidierung seiner Stellung nutzen kann.

Dass Kostunica tobt, verwundert niemanden. Doch seine Attacken gegen Djindjics Regierung, sie habe die Präsidentschaftswahlen manipuliert, zeugen bei näherem Betrachten von Hilflosigkeit: Dass für die Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen eine 50-Prozent-Hürde vorgeschrieben ist, liegt nicht an Djindjic. Diese Regelung stammt noch aus der Milosevic-Ära. Für die Stichwahl hat das Parlament diese Hürde jüngst abgeschafft - doch Kostunica fordert nun dasselbe auch für die erste Wahlrunde. Funktioniert so Demokratie, dass man Wähler-Quoten immer dann senkt, wenn es einem gerade passt? Wohl nicht.

Auch der zweite Vorwurf Kostunicas ist wenig überzeugend: Wenn in den Wählerlisten tatsächlich rund 450.000 bereits verstorbene oder nicht-existierende Personen aufgeführt sind, hat es zwar Djindjics Regierung versäumt, die Listen nach der Milosevic-Ära auf den neusten Stand zu bringen. Aber Beweise für diese Behauptung hat Kostunica bisher nicht vorgewiesen. Und: selbst wenn sich das bewahrheiten sollte - allein damit lässt sich die geringe Wahlbeteiligung wohl nicht erklären. Vielmehr muss sich Kostunica selbst den Vorwurf gefallen lassen, dass er es nicht geschafft hat, ausreichend Wähler zur Stimmabgabe zu motivieren.

Serbien ist nun in eine politische Krise hineingeschliddert. Ab dem 5. Januar hat die jugoslawische Teilrepublik zwar eine Interims-Präsidentin - aber eine, die sich, weil sie der DOS-Koalition angehört, unauffällig im Hintergrund halten wird. Djindjic triumphiert, Kostunica ist sauer - und die Machtspiele gehen weiter. Die Frustration der Wähler wird zunehmen. Ein Ausweg aus dieser misslichen Lage ist nicht in Sicht.