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Trommeln bei Puls 160

6. August 2009

Multitalent Martin Grubinger trommelt sich durch alle Musikstile. Jetzt feiert der Schlagzeuger Triumphe beim Schleswig Holstein Musikfestival und in Salzburg. Ein Gespräch über Perkussion, Präzision - und Rennradfahren.

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Martin Grubinger (Quelle: Michael Herdlein)
Trommeln in allen Stilen: Martin GrubingerBild: Michael Herdlein

Deutsche Welle: Herr Grubinger, Sie sind in allen Genres der Musik zu Hause. Wie kommt es zu dieser ungewöhnlichen Vielfalt?

Martin Grubinger: Für uns Schlagzeuger besteht ein logischer Zusammenhang zwischen zeitgenössischer Musik und der Jazzmusik. Oder nehmen wir Salsa und Samba, Tango, Funk, Fusion, Rock, all diese Dinge gehören für uns Schlagzeuger zusammen. Das kommt vor allem daher, dass jedes Genre in Verbindung zu dem anderen steht und natürlich kommt es auch daher, dass die Perkussion in all diesen Bereichen zuhause ist.

Was genau prägt die Verbindung von Jazz und zeitgenössischen Werken?

Zeitgenössische Musik hat sehr viel mit Perkussion zu tun, weil die Komponisten sehr viel Schlagwerk einsetzen in ihren heutigen Werken, also das Instrument für sich entdecken, egal ob in Solokonzerten oder in Orchesterkonzerten, immer kommt wahnsinnig viel Schlagwerk vor in zeitgenössischen Kompositionen. Ohne Perkussion würde die Musik gar nicht funktionieren, ohne diesen Rhythmus, ohne diese Stringenz.

Sieht man Sie auf der Bühne, scheint es für Sie keine Herausforderungen mehr zu geben, man kann kaum glauben, was man sieht und vor allem hört. Ist es trotzdem möglich zu beschreiben, welche unterschiedlichen Anforderungen im Jazz oder bei zeitgenössischen Kompositionen zu erfüllen sind?

Martin Grubinger (Quelle: picture alliance)
Musik als LeistungssportBild: picture-alliance / APA/NEUMAYR,MMV

Ja, natürlich man muss an diese Musik ganz anders herangehen. Im Jazz ist man kreativ, da kann man sehr viel machen, da ist jeder Abend anders. Bei der zeitgenössischen Musik legen die Komponisten sehr viel Wert auf Texttreue, dass man wirklich auch das macht, was auch in den Noten steht. Das ist wichtig, weil die Komponisten sich etwas dabei gedacht haben. Würde ich ein zum Beispiel ein Werk von Iannis Xenakis einfach irgendwie improvisieren, wäre das ein Skandal, eine glatte Fälschung und ginge total an dem vorbei, was er sich vorgestellt hat. Bei Xenakis ist es so, dass er wirklich mathematisch ausgerechnet hat, in welchem Zusammenhang die Instrumente zueinander stehen. Das heißt, wenn man nicht genau das spielt, was in den Noten steht, dann entsteht ein reines Chaos. Bei der Jazzmusik ist das was ganz Anderes, da muss man sich nur innerhalb der Metren und innerhalb der Harmonien bewegen, und dazwischen ist man sozusagen frei.

Beim Schleswig Holstein Musikfestival sind Sie in diesem Jahr Artist in Residence und haben wie im vergangenen Jahr Workshops gegeben, auch Konzerte in unterschiedlichen Konstellationen und mit den verschiedenartigsten Programmen. Nachdem Ihre Konzerte alle ausverkauft waren, hat man Sie als Publikumsmagnet bezeichnet. Doch ebenso bemerkenswert ist, dass Sie auch ein Magnet für herausragende Musiker sind.

Ja, das ist eigentlich ganz lustig, das geht bei uns Musikern hauptsächlich über Freundschaften, über Bekanntschaften, man hört Leute, wenn man auf Tournee ist, sitzt mal im Konzert und sagt sich, der muss in meine Combo, mit dem will ich mal zusammenarbeiten. In unserem Fall ist das so, dass wir in der Lage sind, auch Publikum in den Konzertsaal zu locken, und deshalb wollen natürlich auch gute Musiker mit uns spielen. Das ist natürlich ein großer Vorteil, denn dadurch kann man viel Qualität und Kompetenz in den verschiedensten Bereichen für sich und sein Ensemble gewinnen.

Musikerkollegen schwärmen davon, mit Ihnen zu arbeiten. Gibt es für Sie auch eine Wechselwirkung mit Ensemblemitgliedern?

Es ist unglaublich, wie viel man an so einem Abend lernt, dass man auch wieder ganz andere Sensibilitäten für diverse Dinge bekommt. Als Schlagzeuger arbeitet man in eine Richtung, dann kommt ein Geiger, der hat eine ganz andere Klangvorstellung und einen viel größeren Farbenreichtum, der hat eine andere Vorstellung von Phrasierung, von Rhythmus und einen ganz anderen Zugang zur Musik. Das ist dann für einen selbst eine wichtige Erfahrung, dass man sagt, auf diese Dinge will ich auch achten.

In einem Interview erzählen Sie, dass Sie mit einem Sportmediziner trainieren, damit Sie bei einem Durchschnittspuls von 160 während eines Konzertes noch 100 Prozent Qualität liefern. Sie spielen alles auswendig – haben Sie jemals Zeit, sich zu entspannen?

Ich bin leidenschaftlicher Rennradfahrer, da kann ich super entspannen oder auch beim Fußballspielen, beim Fußballschauen. Ich lese sehr gerne gesellschaftspolitische Dinge und ich liebe Geschichte. Wenn ich mit dem Schlagzeugspielen aufhöre, möchte ich Geschichte studieren. Mit diesen Dingen befasse ich mich, wenn ich nicht Schlagzeug spiele.

Das Gespräch führte Magdalene Melchers

Redaktion: Aya Bach