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Tropfenspur auf der Leinwand

6. Juni 2002

In dem Film "Pollock" hat Ed Harris gleich drei Rollen übernommen: als Hauptdarsteller, Produzent und Regisseur. Zehn Jahre lang hat er sich mit dem Leben des amerikanischen Künstlers Jackson Pollock beschäftigt.

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Jackson Pollock - radikale Persönlichkeit mit radikalem StilBild: AP

Herausgekommen ist ein spannendes Künstlerportrait und ein ganz ordentliches Regiedebüt. Harris zeigt einen Maler, der einerseits von Depressionen, Alkoholismus und Selbstzweifeln geplagt wird, andererseits durch seinen revolutionären Stil zum internationalen Star der Kunstszene aufsteigt.

Psychisch labiles Genie

In der ersten Szene des Films sieht man Jackson Pollock auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Bei einer Ausstellungseröffnung 1950 in Manhattan signiert der Künstler einen Artikel in der Zeitschrift "Life" mit der Überschrift: "Jackson Pollock: Ist er der größte, lebende Maler der Vereinigten Staaten?"

Ed Harris bejaht die Frage - allerdings mit leichtem Zögern. "Ich bin etwas voreingenommen", räumt er ein, doch Pollock sei einfach "enorm gut". Während seiner Recherchen hat Harris Freunde und Kollegen des 1956 bei einem Autounfall verstorbenen Malers befragt und sich sogar ein eigenes Atelier eingerichtet, um selbst abstrakt zu malen. Ed Harris steckte nicht nur seine Energie, sondern auch ein Großteil seines eigenen Geldes in den unabhängig produzierten Film. Nach Ende der Dreharbeiten war er aus- und abgebrannt.

Preise für "Pollock"

Der Aufwand hat sich gelohnt. Harris ist es gelungen, mit "Pollock" eine Oscar-Trophäe und eine Nominierung zu holen. Im Frühjahr 2001 gewann Marcia Gay Harden den Oscar als beste Nebendarstellerin. Sie spielt die dominante Künstlerin Lee Krasner, die 1941 in Pollocks Leben tritt, seine Karriere maßgeblich beeinflusst und den Maler heiratet. Ihre symbiotische Beziehung zu Pollock wird vorwiegend durch das Nichtgesagte spannend. Überhaupt ist "Pollock" ein Film über die Kunst der Auslassung, in dem Worte – besonders Interpretationen von Gemälden – wie Ballast erscheinen und den wortkargen Pollock sichtlich nerven.

Ed Harris, der als "bester Schauspieler" auf einen Oscar hoffen konnte, verlor gegen "Gladiator"-Darsteller Russell Crowe. 45 Sekunden lang sei er richtig enttäuscht gewesen, erinnert sich der Hollywoodstar schmunzelnd an seine "Niederlage".

Bahnbrechende Tropfenspur

Der Film sei nicht als eine Lektion in Kunstgeschichte zu verstehe, meint Harris. Es gehe ihm vielmehr um den Menschen und die Kräfte, die Pollock antrieben und am Ende zerstörten. Die eindruckvollsten Momente sind die Szenen, in denen Pollock malt. Ed Harris schlüpft so überzeugend in die Rolle des Künstlers, dass man glaubt, Pollock bei der Arbeit zuzusehen. Berühmt wurde der Maler vor allem durch die Erfindung der "Drip-Technik", bei der die Farbe auf die Leinwand getropft oder gegossen wird, ohne dass der Pinsel das Bild berührt.

"Pollock" ist kein typisch amerikanischer Film, was auch erklärt, weshalb der Streifen an den US-Kinokassen nur 8 Millionen Dollar (8,57 Millionen Euro) einspielte. Der Film nimmt sich Zeit, den Künstler bei der Arbeit zu beobachten. Ed Harris hofft, dass die europäischen Zuschauer mehr Geduld für filmische Erzählungen haben, in denen nicht alle zwei Sekunden ein Schnitt erfolgt.

Einziger Wermutstropfen: Ed Harris ist zwar ein brillianter Schauspieler, aber seine Erzählkunst steckt noch ein wenig in den Kinderschuhen. Die überzeugende Bildersprache kann es nicht ganz vertuschen: Barbara Turner und Susan Emshwiller haben ein relativ flaches Drehbuch verfasst, das noch dazu mit einem erhobenen kunstpädagogischen Zeigefinger in Sachen abstrakte Malerei daherkommt. (fro)