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Dialog fortsetzen

20. Dezember 2010

Lukaschenkos gewaltsames Vorgehen gegen die Opposition ist zu verurteilen, aber an Europas Dialog mit dem Regime in Belarus führt kein Weg vorbei, meint Ingo Mannteufel.

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Ein offener Füller und der Schriftzug für das DW-Themenbild Kommentar (Foto: DW)
Bild: DW

Dass sich Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei der Präsidentenwahl in Belarus wieder zum haushohen Gewinner erklären würde, war von Anfang an klar - dass er nach der Wahl nicht zimperlich mit der Opposition umgehen würde auch. In der von ihm geschickt inszenierten Wahl ging es darum, eine Liberalisierung vorzutäuschen, ohne eine echte Demokratisierung zuzulassen.

Schauspiel für Europa

Portrait von Ingo Mannteufel
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen RedaktionBild: DW

Das Publikum für dieses politische Schmierentheater waren auch gar nicht die belarussischen Bürger, sondern die europäische Öffentlichkeit. Denn die EU ist in den letzten Monaten auf Belarus zugegangen.

Doch nur Unkundige können nun über den Wahlverlauf und die brutale Unterdrückung der Opposition überrascht und enttäuscht sein: Alle, die die Lage in Belarus kennen, wussten schon seit langem, was für ein Regime Lukaschenko in den vergangenen 16 Jahren aufgebaut hat. Und sie kannten auch die administrativen Ressourcen, die das Regime einsetzt, um das von Lukaschenko faktisch vorhergesagte Ergebnis von weit mehr als 70 Prozent zu erzeugen. Man darf sich keine Illusionen über Lukaschenko machen: Mit ihm wird es niemals eine echte Demokratisierung in Belarus geben.

Doch wer nun das Ende des europäischen Dialogs mit Lukaschenko fordert, zeigt, dass er zwar moralisch ein besserer Mensch sein mag, aber erneut keine Ahnung von Belarus hat. So schwierig es nach den gefälschten Wahlen und der Verhaftung Hunderter Oppositioneller zu verstehen ist, so ist es dennoch richtig, dass die Europäische Union den Dialog mit dem Regime von Lukaschenko fortsetzt. Dass Gesprächsabbruch und Isolation nicht weiterhelfen, haben allein schon die letzten 16 Jahre gezeigt. Zudem muss im Dialog natürlich auch Kritik geübt werden. Die Defizite bei den Menschen- und Bürgerrechten in Belarus müssen klar angesprochen werden. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte heute zu recht die sofortige Freilassung der verhafteten Oppositionellen.

Gespaltene post-sowjetische Gesellschaft

Doch für die Fortsetzung des Dialogs spricht noch ein ganz anderer Grund, der sich aus den gesellschaftlichen Verhältnissen in Belarus ergibt: Die Gesellschaft ist - wie die meisten anderen post-sowjetischen Gesellschaften - tief gespalten: Die große Masse der Bevölkerung ist apolitisch und erträgt eine autoritäre Politik. Der totale politische und wirtschaftliche Niedergang in Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion vor 20 Jahren hat traumatische Folgen für die Gesellschaft gehabt und bei vielen die Hoffnung geraubt, dass ein Politikwechsel überhaupt möglich ist. Die oppositionellen Kandidaten in Belarus haben sicherlich wegen der Einschränkungen in der Wahlkampagne und dem Einsatz administrativer Ressourcen so deutlich verloren. Ihr Problem ist aber auch, dass man ihnen nicht traut, dass sie es besser könnten als das Regime von Lukaschenko.

Nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe in der Gesellschaft tritt für eine andere Politik ein: Es sind vor allem besser gebildete Bürger, Intellektuelle, Kleinunternehmer, viele Studenten, die meist in Minsk oder den anderen Großstädten leben. Sie haben gestern in Minsk zur Unterstützung der Opposition demonstriert. Diese Menschen wollen ein demokratisches Belarus in Europa. Damit es langfristig mehr von ihnen werden, gilt es, sie über Visaerleichterungen, Kleinkredite der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie zivilgesellschaftliche Projekte und Kooperationen im Bildungsbereich zu unterstützen. Und dies geht nur über einen Dialog mit dem Regime von Lukaschenko.

Autor: Ingo Mannteufel
Redaktion: Markian Ostaptschuk