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Trumponomics mit großen Fragezeichen

Thomas Kohlmann
9. November 2016

Gegen den Freihandel, für Protektionismus, Steuersenkungen - das sind die wirtschaftspolitischen Eckpunkte des Donald Trump. Über deren mögliche Folgen sind sich die Experten uneinig.

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USA Donald Trump in New York
Bild: picture alliance/landov/J. Angelillo

Erst mal mit den Steuern runter - mit diesem Wahlversprechen haben schon andere Präsidenten als Donald Trump bei den US-Wählern gepunktet. Jetzt also werden sie ihn an seiner Ankündigung messen, die größte Steuersenkung seit Jahrzehnten in Angriff zu nehmen. Gestaffelt nach ihrem Einkommen sollen die US-Bürger künftig nur noch 10, 20 oder 25 Prozent Einkommenssteuer zahlen. Gering- und Spitzenverdiener sollen dabei gleichzeitig profitieren: Ledige, die weniger als 25.000  im Jahr verdienen und Ehepaare mit weniger als 50.000 Dollar Jahreseinkommen zahlen in Zukunft gar keine Einkommenssteuer mehr und für Spitzenverdiener sinkt der Steuersatz von derzeit 40 auf 25 Prozent.

Bekommt Trump seine Steuerreform durch den Kongress, werden deutlich mehr als die Hälfte der rund 120 Millionen US-Haushalte ab 2017 gar keine Einkommenssteuer mehr zahlen. Doch damit nicht genug: Außerdem soll die Steuer auf Unternehmensgewinne von derzeit 25 auf 15 Prozent eingedampft und die Erbschaftsteuer ganz abgeschafft werden.

Kein Wunder, dass Finanzexperten durch die absehbaren Steuerausfälle in Milliardenhöhe dramatische Folgen für den US-Staatshaushalt befürchten. Je nachdem, wie rigoros Trump seine Steuerpolitik umsetzen wird, seien Mindereinnahmen zwischen 2,6 und 3,9 Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren möglich, warnte unlängst der Think Tank 'Tax Foundation' in der US-Hauptstadt Washington.

Die Wirtschaftsberater des künftigen US-Präsidenten lassen diese Zahlenspiele kalt. Durch die schrittweise Besteuerung von Auslandsgewinnen würden die Schlupflöcher gestopft, durch die US-Konzerne wie Apple, Amazon oder General Electric jahrelang Milliarden Dollar an Steuern völlig legal den US-Steuerbehörden vorenthalten konnten. Und außerdem, so die Trump-Berater Wilbur Ross und Peter Navarro, würden die Steuersenkungen die US-Wirtschaft ankurbeln und damit für zusätzliche Steuern sorgen.

Globalisierung nur zu US-Konditionen

Nach seiner Amtsübernahme im Januar will Donald Trump alle Handelsverträge der USA auf den Prüfstand stellen. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA mit Kanada und Mexiko will er als erstes kündigen, so sein Wahlversprechen. Und nach der im NAFTA-Vertrag vorgesehenen sechsmonatigen Kündigungsfrist sollen die Modalitäten neu ausgehandelt werden - mit deutlich besseren Konditionen für die USA.

Auch das Transpazifische Handelsabkommen TPP wird - geht es nach dem Willen von Donald Trump - nie ratifiziert und das transatlantische TTIP-Projekt mit der EU nicht weiterverfolgt.

China, Südkorea und Japan sollen nicht mehr so ohne weiteres Zugang zum US-Markt bekommen, hohe Einfuhrzölle auf die Produkte der asiatischen Konkurrenz sind angedacht. Nur so könnten die USA, so Trump, die unfairen Wettbewerbsvorteile ausgleichen, die sich Länder wie China durch staatliche Währungsmanipulationen verschafften.

Auswirkungen auf Deutschland

Auch die deutsche Exportwirtschaft steuert nach dem Wahlsieg Donald Trumps ungewissen Zeiten entgegen. Denn seitdem die Wirtschaft in den europäischen Nachbarländern und in China schwächelt, ist der US-Markt für deutsche Unternehmen immer wichtiger geworden. 2015 haben die USA nach mehr als 60 Jahren Frankreich als wichtigsten Exportmarkt überholt.

Waren im Wert von rund 125 Milliarden Euro wurden dorthin verkauft - vor allem Fahrzeuge, Maschinen und chemische Produkte. Das entspricht einem Anteil von etwa zehn Prozent an den gesamten Ausfuhren. Umgekehrt importierte Deutschland Waren im Wert von knapp 60 Milliarden Euro aus den USA, was sechs Prozent aller deutschen Einfuhren entspricht.

Mehr als eine Million Jobs in Deutschland hängen direkt oder indirekt von den Ausfuhren in die USA ab. Weitere 630.000 Arbeitsplätze gibt es in Betrieben, die von US-Firmen kontrolliert werden. Allein McDonald's Deutschland zählt etwa 58.000 Mitarbeiter, der Personaldienstleister Manpower 27.000, die Ford-Werke mehr als 25.000 und Adam Opel rund 18.000.

Umgekehrt beschäftigen deutsche Unternehmen in den USA ebenfalls Hunderttausende Menschen - und Wähler. Größter deutscher Arbeitgeber ist dort die Deutsche-Post-Tochter DHL mit rund 77.000 Beschäftigten, gefolgt von Siemens mit 70.000, dem Autozulieferer ZF mit 62.000 und Volkswagen mit 60.000 Mitarbeitern.

Eng verzahnte Wirtschaft

Die deutschen Unternehmen haben mehr als 271 Milliarden Euro - etwa in Fabriken oder Immobilien – in den USA investiert. Mehr als 3700 deutsche Unternehmen sind in den Vereinigten Staaten tätig. Allein die 50 größten deutschen Firmen dort kommen auf einen Jahresumsatz von 400 Milliarden Dollar.

Auch US-Unternehmen haben Milliarden in Deutschland investiert: Der Bestand summiert sich auf rund 27 Milliarden Euro. Allein 2015 wurden 252 neue Projekte von US-Firmen gestartet, von Neuansiedlungen auf der grünen Wiese über Erweiterungen bis hin zu Standortwechseln. Nur chinesische Unternehmen waren mit 260 Projekten noch aktiver. Allein die 50 größten US-Unternehmen kommen in Deutschland auf einen Jahresumsatz von rund 170 Milliarden Euro.

Gegen den florierenden Wirtschaftsaustausch mit Deutschland wird wohl auch ein Präsident Trump nichts haben - wohl aber etwas gegen die mehr als deutlichen Ungleichgewichte. Dass Deutschland fast doppelt so viel Waren und Dienstleistungen in die USA exportiert, als es aus den USA importiert, kritisiert die US-Regierung seit vielen Jahren - ganz gleich ob sie demokratisch oder republikanisch geführt war. Doch mit Donald Trump im Weißen Haus dürfte der Druck jetzt noch einmal steigen, etwas gegen den gewaltigen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA zu tun.