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Tschechien: Entschädigungsforderungen der deutschen Minderheit vorerst vom Tisch

18. Januar 2002

– Vertreter des Landesverbandes uneins vor Petitionsausschuss im tschechischen Parlament

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Prag, 17.1.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Uwe Müller

Ermutigt von deutschen konservativen Politikern schritten Teile der deutschen Minderheit im August vergangenen Jahres zur Tat. Deren Vertreter Hans Korbel forderte Entschädigungszahlungen für die sozialen Härtefälle seiner Volksgruppe sowie Gleichstellung mit allen anderen Bürgern in der Frage der Eigentumsrückgabe. Damit rührte er allerdings an den Benes-Dekreten. Eine ablehnende Haltung der tschechischen Politik war vorprogrammiert. Hoffnung auf Erfolg wurde ihm deshalb schon vor fünf Monaten nicht gemacht.

Korbel hatte sich allerdings an das Parlament gewandt, und das musste reagieren. Der Petitionsausschuss der Abgeordnetenkammer fand vergangene Woche Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen. Geladen waren auch Vertreter der deutschen Minderheit. Deren Zahl ist übrigens nach der jüngsten Volkszählung auf 34.000 Angehörige von einst 46.000 im Jahr 1991 gesunken.

Überwiegend bekennen sich ältere Bürger noch zur deutschen Zugehörigkeit. Die jüngeren optieren für die tschechische oder leben längst in Deutschland. Zurückgeblieben sind vor allem jene, die sich zu alt fühlen, das Land zu verlassen oder die in diesem Land ihre Heimat sehen. Letztlich haben sie ihr Leben hier verbracht, haben die bitteren 40er und 50er Jahre überstanden. Und sind trotz des Makels, deutscher Abstammung zu sein, im Land geblieben. Auch Mitte der 60er Jahre, als die Kommunisten für kurze Zeit die Tore öffneten und einem Teil der Minderheit die Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland erlaubten.

Sie kehrten dem Land nicht den Rücken, weil sie sich hier zu Hause fühlten. Gedankt wurde ihnen diese Treue nie. Der Weg zu höherer Bildung blieb ihnen weitgehend verschlossen. Der Aufstieg im Beruf war Ausnahme. Nun sind sie längst im Rentenalter und gehören wie so viele ihrer Generation sowieso zu den Verlierern der Wende. Mit dem Unterschied, dass sie unter den Verlierern zu den besonders Betroffenen gehören. Denn geringere Verdienstmöglichkeiten in den vorangegangenen Jahren, die vor allem auf einer Chancenungleichheit beruhten, lassen heute die Renten besonders schmal ausfallen.

Hier setzte die Initiative von Korbel an. Doch im Parlament stritten sich die Vertreter der Minderheit. Das alte Übel eben. Man war uneins, was man eigentlich fordern sollte. Mit dem Resultat, dass sie wie kleine Kinder nach Hause geschickt wurden. Sie sollen sich doch erst einmal überlegen, was sie denn nun eigentlich wirklich wollten, delegierte sie der Vorsitzende des Petitionsausschusses Cyril Svoboda aus dem Haus. (ykk)