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Tschechien: Jahresrückblick Politik

21. Dezember 2001

- Vom Fernsehstreik bis zum Kampfflugzeugkauf – Neue Minister, alte Probleme

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Prag, 20.12.2001, PRAGER ZEITUNG, deutsch

Januar

Die Beschäftigten des Tschechischen Fernsehens CT treten mit dem neuen Jahr in den Streik. Sie protestieren gegen die Einsetzung des neuen Intendanten Jiri Hodac. Dieser tritt am 11. Januar aus "gesundheitlichen Gründen" zurück.

Die tschechische Regierung schreibt am 10. Januar den Großauftrag über 100 Milliarden Kronen für den Kauf von Kampfflugzeugen aus.

Am 12. Januar nehmen kubanische Behörden den Parlamentsabgeordneten Ivan Pilip (US) und dessen Begleiter Jan Bubenik fest und verdächtigen sie der Spionage für die Vereinigten Staaten. Beide werden nach diplomatischen Bemühungen von Parlamentspräsident Petr Pithart am 5. Februar freigelassen.

Einige Teile der Novelle des Wahlgesetzes werden am 24. Januar vom Verfassungsgericht zurückgewiesen. Ab diesem Zeitpunkt besitzt die Tschechische Republik kein gültiges Wahlgesetz.

Überraschend wird Cyril Svoboda Spitzenkandidat der Viererkoalition. Der Politiker der KDU-CSL hatte für diesen Posten ursprünglich gar nicht kandidiert.

Februar

Jaroslav Bures wird am 2. Februar neuer Justizminister.

Jiri Balvin wird zum vorläufigen Generaldirektor des Tschechischen Fernsehens CT bestimmt. Damit endet die aufsehenerregende Krise beim öffentlich-rechtlichen Sender.

Die so genannte Olovo-Affäre wird am 23. Februar gerichtlich geklärt. Der Berater des Premierministers, Vratislav Sima, und die Redakteure der Tageszeitung "Mlada fronta dnes," Sabina Slonkova und Jiri Kubik, werden als Urheber des Schreibens identifiziert, welches die stellvertretende Parlamentspräsidentin Petra Buzkova diskreditieren sollte.

März

Als neuer Regierungsbevollmächtigter für Menschenrechte wird am 7. März Jan Jarab eingesetzt.

Am 12. März endet die große Volkszählung, an der 93 Prozent der Bevölkerung teilgenommen hat, demnach hat Tschechien 10.292.933 Einwohner.

Ab dem 12. März verschärft Tschechien die Maßnahmen gegen die Ansteckung durch die Maul- und Klauenseuche. Auf Flughäfen und an Grenzübergängen werden Desinfektionsbecken aufgestellt.

Ed Fagan, amerikanischer Staranwalt, besichtigt am 20. März das Kernkraftwerk Temelin. Er soll im Namen der Kernkraftswerksgegner die Inbetriebnahme der Nuklearanlage verhindern.

Aus Protest gegen die Besetzung des Schattenkabinetts der Viererkoalition tritt Cyril Svoboda am 31. März vom Posten des Spitzenkandidaten zurück. Ihn ersetzt Karel Kühnl von der Freiheitsunion US.

April

Auf dem Parteitag der CSSD wird Vladimir Spidla am 8. April zum Nachfolger von Milos Zeman an der Parteispitze gewählt. Zeman erfüllt damit sein Versprechen, freiwillig aus diesem Amt zu scheiden.

Zwei Tage später tritt Pavel Mertlik vom Amt des Finanzministers zurück. Sein Nachfolger wird Jiri Rusnok.

Das Arbitrageverfahren zwischen der Tschechischen Republik und der Gesellschaft CME des amerikanischen Millionärs Ronald Lauder beginnt am 23. April in Stockholm. Tschechien steht der Klage gegenüber, Auslandsinvestitionen nicht genügend zu schützen.

Mit dem 25. März erscheint ein neues Boulevardblatt auf dem tschechischen Zeitungsmarkt, fortan macht "Super" dem "Blesk" (Blitz) Konkurrenz.

Mai

Die früheren Vorsitzenden der in Konkurs gegangenen Baugesellschaft H-System erhalten am 2. und 3. Mai Briefbomben. Eine explosive Sendung verletzt den Sohn des früheren Direktors schwer an der Hand.

Jaroslav Tvrdik wird am 4. Mai neuer Verteidigungsminister, er löst Vladimir Vetchy im Amt ab.

Cyril Svoboda wird am 27. Mai auf dem Parteitag der KDU-CSL zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Er löst damit Jan Kasal in diesem Amt ab.

Zu lebenslänglich verurteilt ein Münchner Gericht am 30. Mai den 89-jährigen Anton Malloth. Dieser war während des Krieges in Theresienstadt Aufseher des Gestapo-Gefängnisses.

Am gleichen Tag wird eine Studie von Amnesty International veröffentlicht, die das Vorgehen der tschechischen Polizei während der IWF- und Weltbanktagung im September 2000 in Prag kritisiert.

Juni

BSE hält in Tschechien Einzug. Am 6. Juni wird das erste angesteckte Rind geschlachtet. Der Absatz von Rindfleisch sinkt umgehend deutlich.

Der frühere kommunistische Staatsanwalt Karel Vas wird am 15. Juni zu sieben Jahren ohne Bewährung wegen der Teilnahme an dem manipulierten Prozess gegen Heliodor Pika verurteilt. Pika wurde 1949 hingerichtet.

Am 19. Juni werden in Tschechien die ersten Zwangsarbeiter entschädigt, die während des Zweiten Weltkriegs für das nationalsozialistische Deutschland arbeiten mussten. Insgesamt werden in 84 000 Fällen Gelder ausgezahlt.

Mit Hana Marvanova wird zum ersten Mal eine Frau in der Geschichte der Tschechischen Republik zur Vorsitzenden einer Partei gewählt. Sie löst an der Spitze der Freiheitsunion US Karel Kühnl ab, der zum Spitzenkandidaten der Viererkoalition gewählt wurde.

Juli

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umweltschutz, überreicht Prag seine offizielle Stellungnahme zum Kernkraftwerk Temelin. Darin bringt er seine Bedenken zum Ausdruck, appelliert an die tschechische Regierung, ihre Entscheidung noch ein Mal zu überdenken und erkennt die Souveränität des Nachbarstaates an. Die tschechische Regierung beschließt, darauf nicht zu reagieren.

Die britische Einwanderungsbehörde eröffnet am 18. Juli eine Kontrollstelle auf dem Prager Flughafen und verwehrt Passagieren den Flug nach Großbritannien. Betroffen sind insbesondere Roma, die Aktion ruft großen Widerspruch bei Roma- und Menschenrechtsorganisation hervor.

Drei Tage später ersticht ein 21-jähriger Skinhead in Svitavy den 30-jährigen Roma Ota Absolon.

August

120 Fallschirmjäger der Tschechischen Armee fliegen am 17. August nach Makedonien, um die Entwaffnung der albanischen Rebellen zu überwachen.

Am 18. August veröffentlicht das Boulevardblatt "Super" auf der Titelseite ein Amateurfoto, das ein Tourist am kroatischen Strand geschossen hat. Auf diesem ist Petra Buzkova oben ohne zu sehen. Daraufhin veröffentlichen tschechische Feministen Fotomontagen, welche die ODS-Spitzenpolitiker Vaclav Klaus und Ivan Langer nackt zeigen.

Gerhard Schröder besucht am 21. August das Automobilwerk Skoda in Mlada Boleslav sowie Liberec und am 24. August Cheb/Eger. Dort trifft er mit seinem tschechischen Gegenüber Milos Zeman zusammen.

September

Rund 500 Autofahrer blockieren in Prag die Hauptverkehrsader und fordern den Rücktritt von Verkehrsminister Jaromir Schling. Sie fordern die Rücknahme neuer Vorschriften der Führerscheinprüfung und des Gesetzes zur Einfuhr von Gebrauchtwagen.

In Folge des Terrorangriffs auf New York und Washington wird in Tschechien am 11. September allerhöchste Alarmbereitschaft ausgerufen.

Die tschechische Produktionsfirma von Jiri Smejc kauft am 17. September den Mehrheitsanteil des slowakischen Fernsehsenders TV Global. In diesem Geschäft ist auch der umstrittene Chef von TV Nova, Vladimir Zelezny, beteiligt.

Oktober

Der Streit der Hochschulen mit Bildungsminister Eduard Zeman verschärft sich. Es kommt zu Warnstreiks in den Bildungseinrichtungen, weil Zeman versprochene Mittel wieder kürzen will.

Vom 14. bis 17. Oktober findet zum letzten Mal das von Ellie Wiesel und Vaclav Havel ins Leben gerufene "Forum 2000" statt, bekanntester Teilnehmer in diesem Jahr ist der ehemalige US-Präsident Bill Clinton.

Jiri Balvin wird am 31. Oktober vom Fernsehrat zum offiziellen Direktor des Tschechischen Fernsehens CT gewählt. Unmittelbar nach der Wahl tritt der evangelische Pfarrer und frühere Dissident Svatopluk Karasek aus Protest als Ratsmitglied zurück.

November

Ohne Gegenkandidat wird Vaclav Klaus am 4. November mit überwältigender Mehrheit in seinem Amt als ODS-Vorsitzender bestätigt.

Am 9. wird nach langem Tauziehen der Staatshaushalt für das Haushaltsjahr 2002 mit den Stimmen von ODS und CSSD verabschiedet.

Aus dem Bericht der Europäischen Kommission über den Stand der Vorbereitungen Tschechiens auf den Beitritt zur Europäischen Union klingt am 13. November überwiegend Lob.

Am 21. November erteilt Präsident Vaclav Havel dem Pfarrer Vojtech Protivinsky die Milde (sic). Der Geistliche hatte in seiner Gemeinde öffentlich dazu aufgefordert, nicht die Kommunistische Partei zu wählen und war deshalb wegen Schmähung einer Weltanschauung angeklagt worden.

Der usbekische Dissident Mohammed Solich wird am 28. November auf dem Prager Flughafen festgenommen und nach Intervention von Norwegen, den USA und mehrerer Menschenrechtsorganisation freigelassen.

Mit der Unterschrift von Premierminister Milos Zeman und Kanzler Wolfgang Schüssel unter ein Abkommen endet am 29. November der so genannte Melker Prozess und der Streit zwischen Österreich und Tschechien um das Kernkraftwerk Temelin.

Dezember

Die tschechische Regierung entscheidet am 10. Dezemeber, 24 Überschallflugzeuge vom Typ Jas-39 Gripen des Konsortiums BAE Systems/Saab zu kaufen. Damit endet die im Januar begonnene Ausschreibung. (ykk)