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"Tschechien soll Benes-Dekrete zurücknehmen"

20. Mai 2002

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat die Tschechische Republik aufgefordert, die umstrittenen Benes-Dekrete zur Vertreibung der Sudetendeutschen aufzuheben. Dieser Schritt würde Klarheit schaffen.

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Otto Schily sprach beim Sudentendeutschen Tag in NürnbergBild: AP

Dies sagte Schily am Samstag (18. Mai 2002) beim 53.
Sudetendeutschen Tag in Nürnberg. Er warnte die Vertriebenen davor, die deutsch-tschechischen Beziehungen und die europäische Einigung mit Forderungen aus der Vergangenheit zu belasten. "Die Erinnerung an das millionenfache Leid der Vertreibung darf den gemeinsamen Weg in die Zukunft nicht verbauen", erklärte Schily.

In seiner häufig von Missfallenskundgebungen unterbrochenen Rede führte er fort, staatlich sanktionierte Vertreibung sei Unrecht, was immer an Verbrechen vorausgegangen sei. Er räumte ein, nicht alle "aus der Vergangenheit herrührenden Fragen" könnten aus Sicht der Vertriebenen zufrieden stellend gelöst werden. Die Vorteile der Integration seien aber auch für die Vertriebenen offensichtlich. "Ich bitte Sie ausdrücklich um Unterstützung dafür."

Spidla wünscht sich "humanitäre Geste"

Der stellvertretende tschechische Ministerpräsident Vladimir
Spidla sprach sich für eine symbolische Entschädigung bestimmter deutscher Vertriebener aus. Als Beispiel für mögliche Empfänger einer Entschädigung nannte er deutsche Antifaschisten, die zu Unrecht aus der Tschechoslowakei vertrieben worden seien. Betroffen davon wären "wohl
maximal hundert Menschen".

Der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, hatte das Traditionstreffen mit scharfer Kritik an der tschechischen Regierung eröffnet. Er nannte Äußerungen Spidlas, der die Vertreibung der Sudetendeutschen tags zuvor als "eine der Quellen
des Friedens" bezeichnet hatte, "verkrustetes und verkalktes
Denken".

Nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages stellen die Benes-Dekrete kein Hindernis für den Beitritt Tschechiens in die EU dar. Zum Sudetendeutschen Tag erschienen etwa 80 000 Teilnehmer.