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Tschechien: Superwahlkampf im Superwahljahr

8. Januar 2002

– Der Kampf um Wählerstimmen hat so früh wie nie zuvor begonnen

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Prag, 7.1.2002, RADIO PRAG, deutsch

Präsident Vaclav Havel hatte im Zusammenhang mit den zahlreichen Wahlen des Jahres 2002 von einem Jahr des Umbruchs gesprochen. In den Zeitungsschlagzeilen machte sich das Schlagwort "Superwahljahr" deutlich besser und nun wurde auch noch der "Superwahlkampf" eingeläutet. Olaf Barth berichtet.

Die Verwendung des Attributs "super" in Verbindung mit dem diesjährigen Wahlkampf soll jedoch angeblich nichts mit der in der Tschechischen Republik seit knapp einem Jahr auf dem Markt befindlichen gleichnamigen Boulevardzeitung zu tun haben. Einzig bei dessen Niveau fühlt man sich gelegentlich an das Blättchen erinnert.

Allen voran schreitet einmal mehr der Ex-Premier und derzeitige Chef des Abgeordnetenhauses und der oppositionellen ODS, Vaclav Klaus. In der Weihnachtsausgabe der Wochenzeitschrift "Tyden" präsentierte er sich als "Santa Klaus" verkleidet auf der Titelseite. Im Riesengebirgs-Skizentrum Spindleruv Mlyn/ Spindlermühle lächelt eben jener "Santa Klaus" diesmal nicht im roten Dress, sondern im Skianzug von einem zig Quadratmeter großen Billboard mit dem Namenszug eines bekannten Skiproduzenten. Garniert ist das ganze mit den Riesenlettern "Wählt!."

Klaus geriet deswegen in die Kritik. Von Geschmacklosigkeit und Peinlichkeit war da die Rede, freilich bei Journalisten und Gegnern. Doch auch seine eigenen Leute zeigten sich von dem Skibillboard überrascht. Sogar sein parteipolitischer Berater hatte von diesem Reklamegag nichts geahnt. Der stellvertretende Vorsitzende der ODS, Eduard Benes, urteilte, Klaus habe dies gemacht, weil er ein begeisterter Skifahrer sei, aber eine Wahlkampagne auf Skiern werde es dennoch nicht geben.

Doch auch die Sozialdemokraten haben sich im Kampf um die Wählerstimmen etwas einfallen lassen: Sie verschickten zwischen den Feiertagen drei Millionen Grußkarten an die tschechischen Haushalte. Deren Absender, der CSSD-Vorsitzende Vladimir Spidla und Innenminister Stanislav Gross, versicherten zwar, dass es sich dabei keinesfalls um Wahlpropaganda, sondern lediglich um freundliche Neujahrsgrüße handelte, allein abgekauft hat ihnen das wohl niemand. Auch die Viererkoalition, die nach dem derzeitigen Stand der Wahlumfragen die Nase vorne hätte, ist keineswegs faul. Sie entwickelten bereits im November ihre Wahlhymne und den so genannten "Vertrag mit den Bürgern", den sie über 200.000 Zeitungsexemplaren beilegten.

Die Wahlkampagnen begannen damit so früh wie nie zuvor: Bereits über ein halbes Jahr vor den im Juni stattfindenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Grund für all diese Anstrengungen seien, so der Soziologe Jaroslav Huk, zum einen die hohe Anzahl von noch unentschiedenen Wählern, zum anderen die Tatsache, dass die Parteien in der Wählergunst alle recht nahe bei einander liegen.

So scheut man weder Mühen noch Kosten, um auch das letzte Stimmchen einzufangen. Allein die drei großen Parteien bzw. Gruppierungen werden laut Angaben des Meinungsforschungsinstituts STEM mehr als 200 Millionen Kronen in den Wahlkampf pumpen. (ykk)