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Tschechiens Banken: Fette Karpfen fürchten die Hechte

11. Januar 2002

- Drei Großbanken werden auch 2002 das angetretene Erbe ordnen müssen. Marktanteile werden dabei verloren gehen.

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Prag, 10.1.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Uwe Müller

Im Jahr 2001 wurde das leidige Kapitel der Privatisierung der tschechischen Großbanken endlich abgeschlossen. Die Verschleppung dieses Teils der Wirtschaftsreform wird die Volkswirtschaft des Landes Schätzungen zufolge bis zu 400 Milliarden Kronen kosten. Als letzte wurde die Bank "Komercni banka" im Juni 2001 an die französische Société Generale verkauft. Nun sind die Karten in diesem Marktsegment verteilt.

In Zukunft werden die einzelnen Bankhäuser um Marktanteile ringen. Beobachter erwarten neue Impulse für die Volkswirtschaft des Landes. Zugleich weisen Experten daraufhin, dass die ausländischen Eigner der Großbanken ihre Kreditpolitik ausschließlich an der Gewinnmarge orientieren werden. Rücksichten auf andere als wirtschaftliche Aspekte gehören der Vergangenheit an. Das zeichnete sich letztlich schon Ende 2001 ab. Den am Tropf des tschechischen Reformweges groß gewordenen "Kleinimperien" einiger Unternehmer wurde die lebensspendende Geldader gekappt. Als Beispiel seien die Holding des einstigen Rennfahrers Jaroslav Charouz oder des Unternehmers Zubik genannt.

Kompliziertes Erbe

Momentan dominieren drei Finanzhäuser den Markt. Tschechiens größte Bank ist die seit Juni 2000 mit der Investicni a Postovni banka fusionierte Bank "CSOB." Gefolgt wird sie von der Komercni banka (Kommerzbank) und der Ceska sporitelna (Tschechische Sparkasse), die von der österreichischen Ersten Bank erworben wurde.

Diese drei Geldinstitute werden wohl auch noch im Jahr 2002 die angetretene Erbschaft neu ordnen müssen. Kann die Ceska sporitelna dabei auf personelle Unterstützung durch die österreichische Mutter rechnen, vertrauen die Franzosen bei der Komercni banka und die Belgier bei der CSOB nahezu ausschließlich auf die tschechischen Mitarbeiter. Ob das ausreichen wird, die beiden Geldinstitute auch für die Zukunft fit zu machen, bezweifeln ausländische Beobachter.

Davon könnten letztlich die heute noch mittelgroßen Banken profitieren. Dazu gehört die fusionierte HVB Czech Republic, Tschechiens viertgrößte Bank. Hervorgegangen aus der HypoVereinsbank und der Bank Austria Creditanstalt lässt das Bankhaus keine Zweifel aufkommen, weiter wachsen zu wollen. Vorstandsvorsitzender Karel Kratina betonte gegenüber der "Prager Zeitung," dass dies auf Kosten der anderen Banken geschehen soll. Dass dabei vor allem die drei Großbanken, die Komercni banka, die CSOB und die Ceska sporitelna, ins Visier geraten, liegt auf der Hand.

Denn die HVB Czech Republic möchte zunehmend die gesunden Mittelstandsfirmen akquirieren. Der teuer bezahlte Einstieg der französischen Societé Generale bei der Komercni banka und der belgischen KBC Bank bei der CSOB wird bei deren share-holdern immer dringlicher die Frage nach der Effektivität der eingesetzten Mittel aufwerfen. Immerhin hat die Société Generale 40 Milliarden Kronen gezahlt. Bei einem return on invested capital von 25 Prozent müsste die Bank zukünftig zehn Milliarden jährlich an Gewinn abwerfen. Davon ist die KB mit etwa zwei Milliarden Kronen allerdings weit entfernt.

Das gleiche gilt für die CSOB. Die Belgier mussten knapp 40 Milliarden Kronen berappen und sollen noch einmal zehn Milliarden investieren. Um internationalen Margen zu entsprechen, müsste die Bank zukünftig jährlich 12,5 Milliarden Kronen abwerfen. Tatsächlich sind es vier Milliarden Kronen. Beobachter glauben deshalb, dass in Zukunft eventuell Teile der beiden tschechischen Großbanken auf dem Markt angeboten werden. Darauf scheint unter anderem die HVB Czech Republic zu spekulieren.

Eine andere Geschäftspolitik als die Großbanken haben dagegen die tschechischen Töchter der Dresdner Bank, der Commerzbank, der ABN Amro oder der Citybank sowie der Deutschen Bank eingeschlagen. Letztere verfolgt in Tschechien einen stringenten Geschäftskurs, fern von spekulativen Überraschungen oder unerwarteten Wendungen.

Die Bank beschäftigt in Tschechien etwa 100 Mitarbeiter. Die sind nach der internationalen Reorganisation der Deutschen Bank Teil eines weltweit agierenden Teams. 15 weitere Mitarbeiter kooperieren vor allem aus London mit ihren Kollegen in Prag. Die insgesamt erwirtschafteten Ergebnisse, so heißt es aus dem Haus, nähern sich denen einiger der tschechischen Großbanken.

Die Einbettung in den internationalen Konzern komme dabei den tschechischen Mitarbeitern zugute. Denn diese können auf dem hiesigen Markt Produkte anbieten, die in Frankfurt oder in London entwickelt wurden. Zu den Angeboten gehören beispielsweise Anlageprodukte, die mit den internationalen Aktienindexen verzinst sind, Optionen auf Zinsen und Währungen oder Wetterderivate. Letzteres soll auch tschechischen Elektrizitätsunternehmen über einen warmen Winter helfen.

Zielgruppe Großkunden

Die Kundschaft der Deutschen Bank ist der Produkt-Palette angepasst. Nicht der Mittelstand wird angesprochen sondern ausschließlich Großunternehmen. Zum Kundenstamm gehören denn auch nur 450 Firmen, und es sollen eher noch weniger werden, heißt es aus der Bank.

Diese Strategie geht auf wirtschaftliche Zwänge zurück. Intern wird bei der Deutschen Bank nur dann Kapital zugeteilt, wenn zirka ein 20-prozentiger Zinssatz - das return on invested capital - gesichert ist. Damit entspricht die Bank allerdings internationalen Margen.

Die Charakterisierung durch andere Banker, man würde in Prag doch nur Produkte aus London oder Frankfurt vermarkten, sei also keine eigenständige Bank, hört man in der Prager Zentrale der Deutschen Bank am Jungmann-Platz ungern. Das würde schlichtweg nicht zutreffen, schließlich betreibe die Deutsche Bank in Tschechien auch Handel. (ykk)