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Tschechische Medien unter Druck

8. April 2002

– Politiker versuchen zwei Monate vor den Wahlen Redaktionsarbeit zu beeinflussen

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Prag, 5.4.2002, RADIO PRAG, deutsch, Silja Schultheis, Robert Schuster

Dass der Wahltermin in Tschechien näher rückt, bekommen langsam aber sicher nicht nur die Wähler zu spüren, deren Briefkästen sich mit Flugblättern und anderem Wahlkampfmaterial füllen, sondern auch die Vertreter der schreibenden Zunft, sprich die Journalisten. Die Versuche der Politiker und ihrer Beraterstäbe, die Redaktionsarbeit zu beeinflussen, greifen dabei aber nicht immer auf raffinierte und verdeckte Methoden zurück.

Zunehmend wird versucht auch direkten Druck auf ihre Berichterstattung auszuüben. Jüngstes Beispiel dafür ist etwa der Vorstoß des tschechischen Kulturministers Pavel Dostal, der in der vergangenen Woche zu einem Frontalangriff auf die größten tschechischen Zeitungen ansetzte. Anlass dazu gab ihm die angeblich zu "wenig patriotische" Berichterstattung der tschechischen Printmedien in Bezug auf die deutsch-tschechischen Beziehungen und die besonders kontroversen Fragen, wie die Vertreibung der Sudetendeutschen oder die so genannten Benes-Dekrete.

In einem Gespräch mit der amtlichen tschechischen Nachrichtenagentur CTK meinte Dostal gleichzeitig auch den Grund dafür zu wissen: Tageszeitungen wie die "Mlada fronta Dnes", "Lidove noviny" und jene regionalen Zeitungstitel, welche vom Verlagshaus Vltava-Labe-Press herausgegeben werden, befinden sich in der Hand von deutschen Eigentümern. Und diese, so der Minister weiter, üben auf die Redakteure entsprechenden Druck aus.

Die Prager Regierung setzte dann auch gleich ein Zeichen besonderer Art, indem sie auf ihrer letzten Sitzung die Herausgabe eines Buches mit dem Titel "Das Sudetenland - ein immer noch lebendiges Problem?" beschloss. Die Schrift, an deren Ausarbeitung sich laut Dostal namhafte tschechische Historiker beteiligen sollen, soll laut dem Kabinett eben ein Gegenpunkt zu der angeblich allzu pro-deutschen Berichterstattung der großen heimischen Gazetten bilden. Sie wird in einer Gesamtauflage von 40.000 Exemplaren gedruckt und dann gratis verteilt. (...)

Das Vorpreschen Dostals und der Regierung hat gezeigt, dass die Politiker nichts unversucht lassen gerade in der Vorwahlzeit auf die parteiunabhängige Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Radio Prag fragte deshalb den Chefkommentator von "Lidove noviny", Petr Fischer, ob er und seine Kollegen in den anderen Redaktionen dem politischen Druck standhalten können:

"Ob es die Medien schaffen werden, dem immensen Druck, dem sie in der Vorwahlzeit ausgesetzt werden, standzuhalten, wird sich natürlich erst noch zeigen müssen. Ich muss schon gestehen, dass wir schon jetzt sehr hellhörig sind und jede Form von politischem Druck bereits im Ansatz unterbinden wollen."

Bereits in den letzten tschechischen Wahlkämpfen ist jedoch den Zeitungen eine weitere wichtige Rolle zugekommen: Neben dem üblichen Kommentieren des politischen Geschehens waren gerade große Zeitungen auch ein wichtiges Korrektiv, was den Wahlkampfstil der Parteien anging. So wollte etwa vor drei Jahren bei einer Nachwahl zum Senat die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei (ODS) von Vaclav Klaus wenige Tage vor den Wahlen in den großen überregionalen Zeitungen ein kontroverses Inserat mit persönlichen Angriffen gegen den Hauptkonkurrenten des ODS-Kandidaten schalten. Die "Lidove noviny", ähnlich wie die "Mlada fronta Dnes", weigerten sich diese Werbung abzudrucken und wurden damals der Zensur bezichtigt. Würden sich die Zeitungen heute ähnlich wie damals verhalten?, fragten wir abschließend Petr Fischer:

"Falls eine ähnliche Anzeige auftauchen sollte, meine ich, dass die Zeitungen ähnlich reagieren würden. Ganz besonders wichtig scheint mir die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien. Vom Gesetz her sind diese verpflichtet allen Parteien, nicht nur den großen, Raum zu gewähren. Aber ehrlich gesagt, wenn ich mir dann diese Sendungen im Fernsehen anschaue, so habe ich so ein komisches Gefühl, dass die Politiker, die da zu Wort kommen, egal von welcher Partei, immer irgendwie gleich sind - in ihren Äußerungen und auch in dem, wie sie sich wenden und drehen und keine klaren Antworten geben." (ykk)