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Tschechische Pressestimmen zur Strafmündigkeit

17. September 2004

- Justizminister Pavel Němec denkt darüber nach, die Strafmündigkeit von Jugendlichen von derzeit 15 auf zwölf Jahre herabzusetzen

https://p.dw.com/p/5aMC

Prag, 15.9.2004, PRAGER ZEITUNG, deutsch

Schlechte Lösung

Die Hospodářské noviny (13.9.) fordert, die Beweggründe der Täter zu untersuchen:

Wenn die Herabsetzung der Grenze der Strafmündigkeit die einzige Antwort auf den neuesten Fall ist, den ein 13-jähriger Junge beging, dann ist sie schlecht. Justizminister Pavel Němec hat zwar die Chance, auf der Beliebtheitsskala nach oben zu klettern, sollte aber nicht so tun, als biete er die Lösung für ein ernsthaftes Problem. Wenn Mörder und Gewalttäter, die jünger als 15 Jahre sind, einer Strafe entgehen, ist dies nicht schlimmer, als wenn wir sie ohne ernsthafte Suche nach den Ursachen der Tat ins Gefängnis stecken. Wenn wir uns entscheiden, nachzuforschen und jemanden persönlich zur Verantwortung ziehen, müssen wir auch mit der gleichen Konsequenz nach dem Versagen derer fragen, die bei seiner Verwandlung in einen Kriminellen zusahen, dies verhindern konnten oder gar sollten, dazu aber nicht bereit waren.

Einfache Maßnahmen

Die Mladá Fronta Dnes (13.9.) fragt, ob ein jugendlicher Verbrecher ins Gefängnis gehört:

Die Kinder in Zukunft ins Gefängnis zu stecken wird wohl genauso produktiv sein, wie heutzutage die Kinder in Erziehungsheime zu schicken. Wir leben mit der irrationalen Illusion, dass diese Heime die Kinder besser erziehen können als deren Eltern. Warum ruft keiner nach einfacheren Maßnahmen? Anstatt die Altersgrenze für Strafmündigkeit zu senken, ist es viel wirksamer, die strafrechtliche Verantwortung der Eltern für ihre Kinder einzuführen. Das gibt es heute nicht. Es existiert nur eine materielle Verantwortung – die Eltern müssen den Schaden ersetzen, den die Kinder anrichteten, aber sie sind für deren Verbrechen weder verantwortlich noch haftbar.

Gestörte Persönlichkeit

Die Lidové noviny (13.9.) hält die Gefängnisstrafe für keine gute Lösung:

Das Gegenargument ist aber nicht weniger ernst. Im Gefängnis gibt es für eine gestörte Persönlichkeit in der Regel keine echte Heilung, ganz im Gegenteil, das Gefängnis ist eine Schule für noch schwerere Verbrechen. Nicht umsonst wird ein Teil der Täter rückfällig. Sang- und klanglos "einsperren" ist also keine dauerhafte Lösung. Dazu darf es nicht kommen. Die Altersgrenze herabzusetzen wird dennoch früher oder später nötig sein, schon deshalb, weil die Kinder – körperlich und geistig – früher erwachsen werden. Das Bewusstsein der Straffreiheit kann für viele von ihnen zum Lockmittel werden, das den folgenschweren Schritt vom Jungenstreich zum Verbrechen erleichtert. (fp)