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Tschetschenien: Ramsan Kadyrow übernimmt Präsidentenamt

8. März 2007

Seit dem 2. März ist Ramsan Kadyrow offiziell Präsident Tschetscheniens. Wladimir Putins Lob für ihn teilen Menschenrechtler nicht. Sie werfen dem neuen tschetschenischen Präsidenten grobe Menschenrechtsverletzungen vor.

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Alu Alchanow, Wladimir Putin und Ramsan Kadyrow in Tschetschenien (12.12.2005)Bild: AP

Im Gegensatz zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, der darauf hofft, dass mit der Wahl von Ramsan Kadyrow zum Präsidenten Tschetscheniens der Wiederaufbau in der Republik "mit derselben Geschwindigkeit" fortgesetzt wird, lehnt der Führer der Bewegung Für Menschenrechte, Lew Ponomarjow, die in Tschetschenien hergestellte Ordnung ab. Nach Ansicht des Menschenrechtlers ist in Tschetschenien ein totalitäres Regime errichtet worden. "Dort wird jegliche Opposition verfolgt", sagte er gegenüber DW-RADIO. Menschen würden spurlos verschwinden oder getötet, viele würden Tschetschenien einfach verlassen. "Die Ordnung, die in Tschetschenien errichtet wird, ist eher eine Friedhofsordnung, und ich bin überzeugt, dass dies auch so fortgesetzt wird", unterstrich Ponomajow.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International lehnte eine Stellungnahme zu Kadyrows Amtsantritt ab, mit der Begründung, politische Ereignisse kommentiere man nicht. Allerdings sagte Lydia Aroyo von Amnesty International im Gespräch mit der Deutschen Welle, Menschenrechtler würden die Lage der Menschenrechte in Tschetschenien weiterhin als sehr ernst bewerten: "Gestern und heute erklärte der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg, dass in tschetschenischen Gefängnissen Insassen gefoltert und gezwungen werden, Straftaten zu gestehen, die sie nie verübt haben." Aroyo fügte hinzu, dies alles würde das bestätigen, worauf Amnesty International seit Jahren hinweise.

Kritik an Machtübergabe

Der Chefredakteur der Menschenrechts-Agentur PRIMA, Aleksandr Podrabinek, erinnerte zuvor in der Nowaja gaseta, dass laut Verfassung der Russischen Föderation der Präsident nicht das Recht habe, Oberhäupter von Föderationssubjekten zu ernennen oder abzusetzen. Deswegen stelle Putins Erlass über die Absetzung des tschetschenischen Präsidenten Alu Alchanow und die Ernennung Kadyrows zum amtierenden Präsidenten Tschetscheniens eine Überschreitung der Amtsbefugnisse dar.

Podrabinek ist der Meinung, dass das heutige Machtsystem in Tschetschenien nicht legitimiert ist. Die grundlegenden Bürgerfreiheiten fehlten, auch gebe es keine freien Wahlen und keinen Parlamentarismus. "Die Wahlen des Präsidenten und des Parlaments Tschetscheniens sind eine Farce. Es waren keine demokratischen Wahlen. Die Ernennung Kadyrows zum Präsidenten Tschetscheniens ist nicht legitim, das ist nicht das Ergebnis eines demokratischen Verfahrens", unterstrich der Menschenrechtler.

Mit der Übernahme der Präsidentenmacht in Tschetschenien durch Kadyrow werden sich nach Podrabineks Ansicht die Ereignisse "auf jeden Fall auf dem Weg des Separatismus, wie schon in den vergangenen 200 Jahren, weiterentwickeln". "Es ist klar, dass Kadyrow ein gehorsamer Günstling Moskaus sein wird, aber nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem die föderale Staatsmacht und ihr Einfluss auf Tschetschenien schwächer wird oder die separatistischen Tendenzen in Tschetschenien stärker werden", betonte Podrabinek.

"Tschetschenien nicht lenkbar"

Die Menschenrechtler gehen nicht davon aus, dass der Kreml Tschetschenien nun besser kontrollieren kann. "Viele halten dies für einen Erfolg der Politik Putins", sagte Lew Ponomajrow von der Bewegung Für Menschenrechte. Er betonte: "Ich denke, im Gegenteil, das ist eine Niederlage der Politik Putins." Jetzt könne es in Tschetschenien zu "absolut unvorhergesehenen Ereignissen" kommen, weil es "nur eine persönliche Union zwischen Putin und Kadyrow" gebe.

"Jetzt hat der letzte Mann Putin und Russland die Treue geschworen. Aber indem er ein totalitäres Regime errichtet hat, das allein auf seiner persönlichen Macht basiert, und sich allen Legitimitäts-Abhängigkeiten der Bürger Tschetscheniens und faktisch auch der föderalen Staatsmacht entledigt hat, kann Kadyrow eine selbständige Politik verfolgen. In diesem Sinne wird Tschetschenien wieder nicht lenkbar", sagte Ponomarjow.

Sergej Wilhelm
DW-RADIO/Russisch, 2.3.2007, Fokus Ost-Südost